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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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so Besondere, es ist längst dahin. Bis zum Morgen bleibt mir die Nacht, diese Nacht bleibt mir Meggie. Ich habe sie gewollt. Auch sie ist ein Sakrament.
    Dane war enttäuscht. »Ich dachte, Sie würden eine rote Soutane tragen!« sagte er.
    »Das tue ich manchmal auch, Dane. Allerdings nur im Palais. Draußen trage ich eine schwarze Soutane mit einem roten Gürtel, so wie jetzt.
    »Haben Sie wirklich ein Palais?«
    »Ja.«
    »Und gibt es da überall Kronleuchter und Kerzenhalter?«
    »Ja, aber so etwas gibt es auf Drogheda doch auch.«
    »Ach, Drogheda!« sagte Dane wegwerfend. »Unsere sind bestimmt viel kleiner. Wie gern würde ich Ihr Palais einmal sehen. Und Sie in einer roten Soutane.«
    Der Kardinal lächelte. »Wer weiß, Dane? Vielleicht wirst du eines Tages Gelegenheit dazu haben.«
    In den Augen des Jungen, ganz in der Tiefe, zeigte sich stets ein eigentümlicher Ausdruck: etwas gleichsam Fernes, Entrücktes. Als der Kardinal sich während der Messe einmal umdrehte, sah er es ganz deutlich, und es kam ihm bekannt vor, doch er wußte nicht, woher. Denn es gibt keinen Menschen, der sich in seinem Spiegel so sieht, wie er wirklich ist.
    Zu Weihnachten wurden, wie jedes Jahr, Luddie und Anne Müller erwartet. Das große Haus war voll fröhlicher Menschen, die sich auf das schönste Weihnachtsfest seit Jahren freuten. Minnie und Cat summten bei ihrer Arbeit leise vor sich hin, Mrs. Smiths rundes Gesicht war ein einziges Lächeln. Fee wirkte zufriedener als sonst. Was Meggie betraf, so beobachtete sie still, wie sehr sich Dane und der Kardinal offenbar zueinander hingezogen fühlten. Wie kaum anders zu erwarten, sparte die eifersüchtige Justine nicht an bissigen Bemerkungen. Die Cleary-Männer kamen jetzt nach Möglichkeit jeden Abend von den Koppeln heim, denn nach dem Dinner gab’s im Salon immer so interessante Gespräche, und außerdem hielt Mrs. Smith dann zum Schluß noch »einen kleinen Imbiß« bereit: Käse auf Toast, heiße, gebutterte Crumpets und Rosinen-Scones. Der Kardinal meinte zwar, bei soviel gutem Essen werde er im Handumdrehen abscheulich fett werden. Tatsache war jedoch, daß es ihm ausgezeichnet bekam, und zweifellos nicht nur das Essen, sondern überhaupt Drogheda, die Landschaft, die Luft, die Menschen. Am vierten Tag war es sehr heiß. Der Kardinal war mit Dane ausgeritten, um eine Herde Schafe hereinzutreiben, Justine schmollte mutterseelenallein beim Pfefferbaum, und Meggie lag auf einer Liege auf der Veranda. Sie fühlte sich sehr glücklich. Eine Frau kann zwar jahrelang, ohne wirklich etwas zu entbehren, ohne das leben, doch wenn es dann da ist, und es ist der Mann, dann ist es um so schöner.
    War sie mit Ralph zusammen, so war sie ganz für ihn da, ausgenommen allerdings jener Teil ihres Wesens, der Dane gehörte. War sie mit Dane zusammen, so war sie auch für ihn ganz da, ausgenommen jedoch jener Teil ihres Wesens, der Ralph gehörte. Nun hatte sie endlich beide für sich, und erst jetzt fühlte sie sich gewissermaßen wie aus einem Stück, was nur zu begreiflich schien. Dane war ihr Sohn, und Ralph, wenn schon nicht ihr Ehemann, so doch ihr Mann. Wenn es etwas gab, das ihr Glück trübte, dann war es die Tatsache, daß Ralph blind zu sein schien. Nein, er sah nicht, er erkannte nicht, er begriff nicht. Hätte sie es ihm sagen sollen? Nun, wenn er es von sich aus nicht sah, und wenn er meinte, sie sei damals zu Luke zurückgegangen, um dessen Sohn zur Welt zu bringen ... Das verübelte sie ihm, und das gab letztlich auch den Ausschlag, daß sie das Geheimnis für sich behielt. Wenn er so etwas dachte, verdiente er es nicht, daß er die Wahrheit erfuhr.
    Manchmal fühlte sie Fees ironischen Blick auf sich, und sie erwiderte ihn, nicht im mindesten irritiert. Fee verstand, sie verstand wirklich. Sie verstand den halben Haß, die halbe Rachsucht, den Wunsch, es heimzahlen zu wollen wegen der einsamen Jahre. Was hatte er getan in all der Zeit, Ralph de Bricassart? Regenbögen war er nachgejagt. Und jetzt sollte sie ihm den schönsten aller Regenbögen, seinen eigenen Sohn, als wirkliches Wunder gleichsam in den Schoß werfen. Nein! Sollte er nur entbehren, sollte er nur leiden - auch, oder gerade, wenn er das nie begriff, noch je begreifen konnte. Das Telefon klingelte. Es war jenes Zeichen, das für Drogheda galt. Da ihre Mutter nicht in der Nähe zu sein schien, stand sie schließlich auf, ging hinein und hob den Hörer ab. »Mrs. Fiona Cleary bitte«, sagte eine Männerstimme.

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