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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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gefahren war. Muß an dem hektischen Tag und allem Drum und Dran gelegen haben. Entschuldige, daß ich mich so hirnverbrannt aufgeführt habe. Wegen nichts und wieder nichts so ein Aufruhr von mir, wirklich ganz unmöglich. Aber Dir hatte der Tag offenbar auch ganz schön zugesetzt, Liebesworte und all so was, meine ich. Also ist es wohl das beste, wenn wir uns gegenseitig vergeben, meinst Du nicht? Ich möchte jedenfalls, daß wir Freunde bleiben. Wär’ mir schrecklich, mit Dir verzankt zu sein. Wenn Du das nächste Mal in London bist, komm doch zu mir zum Dinner, und wir setzen formell unseren Friedensvertrag auf.« Unterschrieben war der Brief, ihre Gewohnheit seit eh und je, mit einem einfachen, völlig schmucklosen »Justine«. Daneben fand sich nichts, absolut nichts, kein »Gruß«, geschweige denn ein »lieber Gruß« oder etwas Ähnliches. Eingehend studierte er die eher beiläufig hingeworfenen Sätze. Was verrieten sie? Daß ihr an seiner Freundschaft lag. Aber darüber hinaus? Unwillkürlich seufzte er. Unverkennbar hatte er sie sehr erschreckt, und wenn sie ihn dennoch um seine Freundschaft bat, so zeigte das, wieviel ihr an ihm lag - als Freund, als sehr platonischer Freund. Schließlich wußte sie jetzt, daß er sie liebte; und wenn sie zu dem Schluß gekommen wäre, daß sie seine Liebe erwiderte, so hätte sie das in ihrem Brief gewiß ohne lange Umschweife erklärt.
    Blieb allerdings die Frage: Weshalb war sie, statt Dane nach Griechenland zu begleiten, nach London zurückgekehrt? Zweifellos war es Unsinn, sich etwas zu erhoffen, das habe sie vielleicht seinetwegen getan. Dennoch gewann da ein unbestimmbares Gefühl immer mehr die Oberhand, wollte sich einfach nicht unterdrücken lassen.
    Nach Greenwicher Zeit war es jetzt zehn Uhr vormittags - sehr günstig, um Justine zu Hause zu erreichen. Er verständigte seine Sekretärin.
    »Bitte eine Verbindung mit Miß O’Neills Londoner Wohnung«, sagte er und zupfte dann, während er wartete, vor Ungeduld und Nervosität an seinen Augenbrauen.
    »Rain!« Justines Stimme klang sehr erfreut. »Hast du meinen Brief bekommen?« »In diesem Augenblick.«
    Sie ließ eine kaum merkliche Pause eintreten, fragte dann: »Und - wirst du bald zu mir zum Dinner kommen?«
    »Nächsten Freitag und Samstag bin ich in England. Ist dir das zu kurzfristig?«
    »Nicht, wenn’s dir am Samstagabend paßt. Der Freitag scheidet aus, weil wir den >Othello< proben.« »Den >Othello?< Heißt das, daß du ...?«
    »Ja, ich spiele die Desdemona. Ach richtig, das weißt du ja noch gar nicht! Clyde schrieb mir nach Rom und bot mir die Rolle an. Marc Simpson spielt den Othello, und Clyde führt selbst Regie. Ist das nicht wunderbar? Ich bin gleich mit dem
    nächsten Flugzeug nach London geflogen.«
    Einen Augenblick saß er ganz still. Dann atmete er tief durch, achtete jedoch sorgfältig darauf, daß durch den Hörer nichts zu vernehmen war.
    »Justine, Herzchen«, sagte er dann mit allem Enthusiasmus, den er in seine Stimme zu legen vermochte, »das ist ja eine großartige Neuigkeit. Ich habe mich schon gefragt, was dich so rasch nach London zurückgeführt hat.«
    »Oh, Dane zeigte Verständnis«, erklärte sie beiläufig. »In gewisser Weise freute er sich wohl sogar, allein reisen zu können. Er hatte sich da so eine Geschichte zurechtgelegt - ich sollte ihm nur ordentlich die Leviten lesen, damit ihn das anstachle, nach Drogheda zu reisen. Aber in der Hauptsache wollte er wohl, daß ich mich nicht aus seinem Leben ausgeschlossen fühle, jetzt, wo er Priester ist.« »Wahrscheinlich«, stimmte er höflich zu.
    »Also dann am Samstagabend, gegen sechs, wenn’s dir recht ist. Da können wir dann zunächst mal bei ein oder zwei Flaschen unseren Friedensvertrag aushandeln, und wenn wir einen allseits befriedigenden Kompromiß gefunden haben, gibt es Futter - einverstanden?« »Ja, natürlich. Bis Samstagabend also.«
    Verdammte Justine! dachte er, nachdem er aufgelegt hatte. Wie würde sie wohl in ihrer burschikosen Art sagen? »Daß du dir ja keine Schwachheiten einbildest!« Nun, er bildete sich keine Schwachheiten ein, er bildete sich überhaupt nichts ein, nur hoffen wollte er doch wenigstens noch dürfen!
    Es fiel ihm schwer, sich an diesem wie an den nächsten Tagen auf seine Arbeit zu konzentrieren, aber irgendwie gelang es ihm. Am Samstagabend war er dann kurz nach sechs bei Justine, gewohnheitsgemäß ohne Geschenk, denn in puncto Mitbringsel gab es wohl kaum einen

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