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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Menschen, der schwieriger war als sie. Blumen bedeuteten ihr nichts, Konfekt aß sie nicht, und alles, was teurer gewesen wäre, hätte sie achtlos in die Ecke geworfen. Die einzigen Geschenke, die sie schätzte, waren offenbar jene, die Dane ihr gemacht hatte. »Champagner vor dem Dinner?« fragte er und sah sie überrascht an. »Warum nicht?« fragte sie zurück und erklärte plausibel: »Wir haben uns zum ersten Mal verkracht und feiern jetzt zum ersten Mal Versöhnung.« Während er sich in einen Sessel setzte, ließ sie sich auf ein braunes Känguruhfell gleiten, wo sie dann in einer Art Schneidersitz saß. Sehr aufmerksam sah sie ihn an, und irgendwie hatte er das Gefühl, daß sie gleichsam gewappnet war für alles, was er sagen mochte.
    Aber er sprach nicht, weil er nicht recht wußte, was er sagen sollte. Erst einmal mußte er ihre Stimmung erkunden. Nach dem Kuß war auf einmal alles viel schwieriger als früher. Früher, ja da hatte er immer ein ganz klein wenig auf - ja, wie sollte man es nennen - auf intellektuelle oder ironische Distanz achten können. Damit schien es jetzt irgendwie ein für allemal vorbei zu sein.
    Was fesselte ihn so an ihr? War sie das lange, zähe, verbissene Warten überhaupt wert? Er bezweifelte, ob sie es objektiv wert war, ob es in solchen Dingen einen neutralen, gleichsam philosophischen Standpunkt überhaupt gab und geben konnte. Aber das war auch völlig gleichgültig. Für ihn besaß sie eine Faszination, wie sie eine andere Frau wohl nie würde besitzen können: ein kühles, intelligentes Gehirn, zudem voller Egoismus, dabei jedoch in ihrem Wesen nie ganz erwachsen. Dieses Nichterwachsensein würde sich bei ihr zweifellos auch noch zeigen, wenn sie einmal eine alte Frau war. »Du siehst heute abend reizend aus, Herzchen«, sagte er schließlich und hob sein Glas, als hätte er einen Toast ausgebracht. Im kleinen viktorianischen Kamin brannte ein Holzfeuer, doch Justine, ganz in der Nähe sitzend, schien die Wärme nicht zu spüren oder aber als angenehm zu empfinden. Ihr Blick blieb unverwandt auf Rainer gerichtet. Sie stellte ihr
    Glas auf den Fußboden, schlang die Arme um ihre Knie.
    »Ich mag nicht um den heißen Brei herumschleichen«, sagte sie. »Hast du’s ernst gemeint, Rain?«
    Plötzlich war er imstande, sich zu entspannen. Tief lehnte er sich in seinen Sessel zurück. »Ernst gemeint? Was denn?« »Was du in Rom gesagt hast ... daß du mich liebst.« »Ist das für dich so interessant, Herzchen?«
    Sie wandte kurz ihren Blick ab, zuckte die Achseln. Dann sah sie ihn wieder an, nickte. »Ja, sicher.«
    »Aber weshalb bringst du das überhaupt noch einmal zur Sprache? Du hast mir doch gleich darauf geantwortet, und ich nahm eigentlich an, daß der heutige Abend eher dazu dienen sollte, in aller Eindeutigkeit einen Schlußstrich darunter zu ziehen.« »Oh, Rain! Du tust ja gerade so, als ob ich einen Haufen Geschrei darum machte! Und selbst wenn ich das täte, könntest du ja sicher begreifen, weshalb.«
    »Nein, das kann ich nicht.« Er stellte sein Glas aus der Hand und beugte sich ein Stück vor. »Du hast mir doch sehr nachdrücklich klargemacht, daß du von meiner Liebe nichts wissen willst, und ich hatte eigentlich gehofft, daß du genügend Taktgefühl hättest, die Sache nicht wieder aufzurühren.«
    Daß das Gespräch für sie einen so unbehaglichen Verlauf nehmen würde, damit hatte sie nie und nimmer gerechnet. War denn nicht eigentlich er derjenige, der sozusagen auf dem Armesünderbänkchen saß und bescheiden zu warten hatte, bis ihm eine Art Absolution erteilt wurde? Statt dessen hatte es ganz den Anschein, als ob es ihm unversehens gelungen war, den Spieß umzukehren. Plötzlich kam sie sich vor wie ein Schulmädchen, das sich wegen eines albernen Streichs rechtfertigen sollte.
    »Hör mal, Sportsfreund«, sagte sie in ihrer typischen Art, »wer von uns beiden hat denn am status quo gerüttelt? Doch nicht ich! Und ich habe dich auch nicht für heute abend zu mir eingeladen, weil ich etwa die Absicht hätte, dich um Verzeihung zu bitten - wegen Kratzens am Selbstgefühl des großen Hartheim.« »So in der Defensive, Justine?«
    Sie hob ärgerlich den Kopf. »Verdammt noch mal! Wie du das immer wieder schaffst, Rain, weiß ich wirklich nicht. Ich wünschte, du würdest mir wenigstens einmal die Oberhand lassen.« »Damit du mich wegwirfst wie einen stinkenden alten Lappen?« fragte er lächelnd.
    »Das kann ich immer noch tun, Kumpel!«
    »Blech!

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