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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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ganz darauf an, ob Sie die Messe zu hören wünschen«, erwiderte er und nahm ihr gegenüber auf einem Stuhl Platz. Er schlug die Beine übereinander, und unter dem Saum seiner Soutane zeigte sich, daß er Reithosen und Reitstiefel trug, ein Zugeständnis an die geographische Lage seiner Gemeinde. »Ich habe Ihnen die Kommunion mitgebracht, aber falls Sie die Messe hören möchten, kann ich schon in wenigen Minuten damit beginnen. Es macht mir wirklich nichts aus, ein wenig länger zu fasten.« »Wie gut Sie doch zu mir sind«, sagte sie mit einer Mischung aus Ironie und Selbstzufriedenheit. Sie wußte sehr wohl, daß - wie bei allen anderen auch - seine besondere Ehrerbietung weniger ihr als ihrem Gelde galt. »Bitte, nehmen Sie Tee«, fuhr sie fort. »Ich bin mit der Kommunion völlig zufrieden.«
    Er ließ sich von dem Anflug von Ärger nichts anmerken. Zumindest seiner Selbstbeherrschung war die Tätigkeit in diesem Sprengel ausgezeichnet bekommen. Nun, falls er die Chance erhielt, aus dieser Obskurität hier aufzutauchen, in die ihn sein Temperament sozusagen hineingeritten hatte - er würde den gleichen Fehler nicht zweimal machen. Und wenn er seine Trümpfe richtig ausspielte, so mochte sehr wohl diese alte Frau die Antwort auf seine Gebete sein. »Ich muß gestehen, daß das vergangene Jahr überaus angenehm gewesen ist«, sagte sie. »Sie sind als Seelenhirt doch bei weitem erfreulicher, als es der alte Pater Kelly war, möge Gott seine Seele verderben.« Plötzlich klang ihre Stimme hart, voll Rachsucht.
    Sein Blick haftete auf ihrem Gesicht. »Meine teure Mrs. Carson! Christliches Gefühl spricht nicht gerade aus Ihren Worten.« »Dafür die Wahrheit. Er war ein alter Säufer, und ich bin ganz sicher, daß Gott seine Seele genauso verderben wird, wie der Suff seinen Körper verdorben hat.« Sie beugte sich ein Stück vor. »Ich kenne Sie inzwischen ziemlich gut, und so habe ich wohl das Recht auf ein paar Fragen an Sie, meinen Sie nicht auch? Schließlich genießen Sie ja das Recht, Drogheda als eine Art privaten Spielplatz zu benutzen - lernen allerlei übers Viehzüchten, polieren Ihre Reitkünste auf, flüchten vor den Ärgernissen des Lebens in Gilly. Alles auf meine Einladung hin natürlich, aber ich glaube doch, daß ich das Recht auf ein paar Fragen habe - nicht wahr?« Daß sie ihm unter die Nase rieb, wieviel Dank er ihr schuldete, behagte ihm wenig. Andererseits hatte er eben hiermit gerechnet: daß sie eines Tages glauben würde, sie habe ihn sich genug verpflichtet, um ihm Fragen oder auch Forderungen zu stellen. »Gewiß haben Sie dieses Recht, Mrs. Carson. Ich kann Ihnen gar nicht genug dafür danken, daß ich mich auf Drogheda völlig nach Belieben bewegen darf - und dann Ihre Geschenke für mich ... meine Pferde, mein Auto ... «
    »Wie alt sind Sie?« fragte sie ohne weitere Umschweife. »Achtundzwanzig«, erwiderte er.
    »Jünger, als ich dachte. Dennoch - Geistliche wie Sie schickt man nicht an Orte wie Gilly. Was haben Sie sich zuschulden kommen lassen, daß man Sie nach hier beordert hat, ans Ende der Welt?« »Ich habe den Bischof beleidigt«, erklärte er ruhig und mit einem leisen Lächeln.
    »Das muß es mindestens gewesen sein! Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß sich ein Priester mit Ihren besonderen Talenten in einem Nest wie Gillanbone glücklich fühlt.« »Es ist Gottes Wille.«
    »Unsinn! Sie sind hier wegen menschlichem Versagen - Ihrem eigenen und dem des Bischofs. Nur der Papst ist unfehlbar. In Gilly sind Sie jedenfalls ganz und gar nicht in Ihrem normalen - in Ihrem natürlichen - Element. Das ist uns allen klar. Gewiß freuen wir uns, zur Abwechslung einmal jemanden wie Sie zu haben an Stelle der geweihten Gehaltsempfänger, die man uns für gewöhnlich schickt. Ihr Element sollte sich eigentlich eher in den Bereichen des höheren Klerus finden und nicht hier zwischen Pferden und Schafen. Das Kardinalsrot würde Ihnen großartig stehen.«
    »Mit einer solchen Chance werde ich nie rechnen können, fürchte ich. Gillanbone gehört kaum zu jenen Gefilden, aus denen der Erzbischof Kandidaten für eine etwaige apostolische Legatschaft rekrutiert. Doch es könnte schlimmer sein. Ich habe Sie, und ich habe Drogheda.«
    Sie akzeptierte seine bewußt dick aufgetragene Schmeichelei in dem Sinn, in dem sie gemeint war; und sie genoß seine Schönheit, seine Aufmerksamkeit und seinen ebenso subtilen wie widerborstigen Geist: Gar kein Zweifel, er würde einen

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