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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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»Du bist ja bloß ein Mädchen, und Mädchen reden halt so Zeug.«
    Normalerweise hätte eine solche Bemerkung Meggie in Harnisch gebracht. Diesmal ließ sie’s durchgehen. Sie ging in die Küche zurück, um zu sehen, ob sie ihrer Mutter irgendwie helfen konnte.
    »Wo ist Daddy?« fragte sie, nachdem sie ihre Arbeit - Taschentücher plätten - zugeteilt bekommen hatte. »Nach Wahine.« »Bringt er Frank mit zurück?«
    Fee schnaubte ärgerlich. »In dieser Familie ist kein Geheimnis sicher. Nein, er wird Frank nicht in Wahine finden, das weiß er. Er wird der Polizei ein Telegramm schicken und auch der Army in Wanganui eines. Die bringen ihn zurück.«
    »Oh, Mum, hoffentlich finden sie ihn! Ich möchte nicht, daß Frank fortgeht!«
    Fee klatschte den Inhalt des Butterfasses auf den Tisch und attakkierte die wäßrig gelbe Masse mit zwei Holzkellen. »Keiner von uns will, daß Frank fortgeht. Deshalb wird Daddy auch dafür sorgen, daß man ihn zurückbringt.« Für einen Augenblick konnte man sehen, daß ihre Lippen zitterten. Sie attackierte die Butter noch heftiger. »Armer Frank, armer Frank!« seufzte sie wie für sich. »Ich begreife nicht, warum die Kinder für unsere Sünden bezahlen müssen. Mein armer Frank, so ... so abseits ...« Sie sah, daß Meggie aufgehört hatte zu plätten. Sofort preßte sie die Lippen aufeinander und schwieg.
    Drei Tage später brachte die Polizei Frank zurück. Wie der begleitende Sergeant aus Wanganui Paddy berichtete, hatte
    Frank erbitterten Widerstand geleistet.
    »Da haben Sie aber wirklich einen Kämpfer! Als er kapierte, daß die Burschen bei der Army seinetwegen alarmiert waren, schoß er davon wie der Blitz - die Treppe runter und dann die Straße entlang, mit zwei Soldaten hart auf seinen Fersen. Aber hätte er nicht das Pech gehabt, einem patrouillierenden Konstabler in die Arme zu laufen, er wäre ihnen wohl entkommen. Na, und dann hat er zugedroschen, daß die Fetzen flogen. Fünf Mann brauchte es, um ihm Handschellen anzulegen.«
    Mit diesen Worten nahm der Sergeant Frank die schweren Ketten ab und stieß ihn rauh durch das Vordertor. Der Junge stolperte gegen Paddy - und zuckte zurück, als habe er sich bei der Berührung verbrannt.
    Die Kinder standen etwa zehn Meter entfernt, näher zum Haus, und starrten angespannt. Bob, Jack und Hughie hofften inbrünstig, Frank werde wieder gewaltig zuschlagen. Stuart, friedvolle und mitfühlende kleine Seele, die er war, wirkte noch am gelassensten; und Meggie preßte die Hände gegen ihr Gesicht in ihrer Angst, irgend jemand könne Frank womöglich weh tun.
    Er drehte den Kopf, und sein erster Blick galt seiner Mutter. Schwarze Augen tauchten in graue und graue in schwarze - ein dunkles und gleichsam bitteres Ineinanderversenken, für das nie jemand Worte gefunden hatte und nie jemand Worte finden würde. Dann prallte, wie ganz von oben herab, Paddys wilder blauer Blick auf Frank, voll Verachtung, voll Hohn: Eben dies, so schien der Blick zu sagen, habe man ja wohl erwarten müssen. Frank blickte zwar zu Boden. Dennoch - und vielleicht gerade deshalb - sprach aus dieser Haltung Trotz. Es war, als wolle er so sein Recht bekunden, zornig zu sein. Von diesem Tage an wechselte Paddy mit seinem ältesten Sohn nur noch Worte, welche Notwendigkeit und Höflichkeit geboten. Doch als schwerste Probe erwies sich für Frank jetzt die
    Wiederbegegnung mit seinen Geschwistern. Scham und Verlegenheit erfüllten ihn, den hellglänzenden Vogel, der unversehens vom unumgrenzten Himmel herabgestürzt war: nach Hause geschafft mit gestutzten Flügeln, das unbekümmerte Lied in der Kehle erstickt. Meggie wartete, bis Fee mit ihrer abendlichen Runde fertig war. Dann kletterte sie durchs Fenster hinaus. Sie wußte, wo sie Frank finden konnte: oben im Heu, in Sicherheit vor zudringlichen Blicken und vor seinem Vater.
    »Frank, Frank, wo bist du?« flüsterte sie, als sie in den dunklen Schuppen trat. Vorsichtig die Zehen vorstreckend, bewegte sie sich Zoll um Zoll voran.
    »Hier an der Seite bin ich«, erklang seine müde Stimme, die gar nicht Franks Stimme zu sein schien, so ohne Leben, ohne Leidenschaft war sie.
    Sie fand die Stelle, wo er ausgestreckt im Heu lag, und kuschelte sich an ihn. Ihre Arme schlangen sich um seinen Brustkorb, soweit es irgend ging. »Oh, Frank, ich bin ja so froh, daß du wieder da bist«, sagte sie.
    Mit einem Stöhnen ließ er sich tiefer gleiten, so daß er seinen Kopf auf ihren Leib legen konnte. Meggies Finger

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