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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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überall, an den Außenmauern und auf dem Verandadach, zu finden waren. Rings um das Haus dehnten sich weite, sorgfältig gepflegte Rasenflächen, einige Hektar groß. Und in dieses Gelände waren, gleichsam mit lockerer Hand, Gartenanlagen eingestreut, Beete voller Blumen, die auch jetzt im Herbst eine üppige Farbenpracht boten: Da waren Rosen und Dahlien, da waren Samtblumen, und da war auch Goldlack. Eine Gruppe majestätisch wirkender Eukalyptusbäume - sogenannter Geistereukalyptus mit weißen, wie blutleeren Stämmen und ledrigen, immergrünen Blättern - spendete dem Haus Schatten, schützte es vor der gnadenlosen Sonne. Die unteren Zweige der großen Bäume waren sonderbarerweise mit magentaroten Blüten betüpfelt. Sie stammten von der Bougainvillaea, einem üppig wuchernden Kletterstrauch, der sich emporwand ins Baumgeäst. Und Klettersträucher, Rankengewächse gab es hier allenthalben. Selbst die monströsen Wassertanks beim Haus, ebenso scheußlich wie unentbehrlich, waren dicht umwuchert von Rosen und von Wistaria, und so wirkten auch sie auf ihre Weise durchaus dekorativ. Da der verstorbene Michael Carson seinen Besitz leidenschaftlich geliebt hatte, war auf Drogheda reichlich für Wassertanks gesorgt: Gerüchte wollten wissen, daß man es sich auf Drogheda leisten konnte, den Rasen grün und die Blumenbeete üppig zu halten, auch wenn zehn Jahre lang kein Regen fiel.
    Näherte man sich von der Seite der Home Paddock, so gewahrte man zunächst das Haus und die Eukalyptusbäume. Aber dann entdeckte man zu beiden Seiten und dahinter noch viele andere Häuser aus gelbem Sandstein, einstöckige Häuser, die durch überdachte Rampen mit dem Hauptgebäude verbunden waren. Die tiefen Radspuren, an die Pater Ralph sich bis jetzt hatte halten müssen, wurden nun abgelöst durch einen breiten, kiesbestreuten Fahrweg, der im Bogen zum kreisförmigen Parkplatz auf der einen Seite des Hauses führte und von dort weiter bis zu jenen Gebäuden des Besitzes, die man von hier aus nicht mehr sehen konnte, wo jedoch, wenn man so wollte, Droghedas eigentliche Bedeutung lag: den Viehhöfen, den Scherschuppen, den Scheunen. Die gigantischen Pfefferbäume, die dort ihre mächtigen Schatten warfen, zog Pater Ralph insgeheim den so blutleer wirkenden Eukalyptusbäumen beim Herrenhaus entschieden vor. Dort schwirrten und summten zwischen einer Überfülle fahlgrauer Wedel emsig und eifrig Bienen herum: gerade die richtige Art Baum für eine Buschstation, eine sogenannte Outback Station.
    Pater Ralph parkte seinen Daimler, stieg aus und ging dann über den Rasen. Auf der Vorderveranda wartete bereits das Dienstmädchen auf ihn, ihr sommersprossiges Gesicht ein einziges Lächeln. »Guten Morgen, Minnie«, sagte er.
    »Oh, Pater, es ist schön, Sie an einem so prachtvollen Morgen zu sehen«, erwiderte sie in ihrer breiten Mundart. Mit der einen Hand hielt sie die Tür weit auf, die andere streckte sie nach seiner verbeulten und ganz und gar nicht klerikalen Kopfbedeckung. In der Eingangsdiele blieb der Pater einen Augenblick stehen. Hier wirkte das Licht gedämpft, fast trüb. Überall sah man Marmor. Eine breite Treppe mit Messinggeländer führte hinauf ins obere Stockwerk.
    Pater Ralph nickte Minnie kurz zu, betrat dann den Salon. Mary Carson saß in ihrem Ohrensessel bei einem offenen Fenster, das vom Fußboden bis zur Zimmerdecke reichte und somit sicher über vier Meter hoch war. Die hereinströmende kalte Luft schien der Hausherrin nichts auszumachen. Ihr rotes Haar leuchtete fast noch genauso intensiv wie in ihrer Jugend. Zu ihren Sommersprossen hatten sich inzwischen zwar Altersflecken gesellt, doch für eine Frau von fünfundsechzig fanden sich in ihrem Gesicht nur wenige Falten. Eher schon konnte man von einem Netz winzigfeiner Linien sprechen. Das einzige, was ihr halsstarriges Wesen ahnen ließ, waren die Furchen zu beiden Seiten ihrer Römernase und der wie steinerne Blick ihrer fahlblauen Augen.
    Lautlos schritt Pater Ralph über den Aubusson-Teppich auf sie zu und küßte ihr die Hand - eine Geste, die bei einem Mann seiner Größe und seiner Grazie bestechend wirkte, zumal er eine einfache schwarze Soutane anhatte, die ihm einen gleichsam höfischen Anstrich verlieh.
    Plötzlich trat in Mary Carsons Augen ein eigentümlicher Ausdruck, eine Mischung aus Scheu und verhaltener Freude, und auf ihrem Gesicht zeigte sich der Anflug eines befriedigten Lächelns. »Wollen Sie Tee nehmen, Pater?« fragte sie.
    »Das kommt

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