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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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dort los, dort oben auf der Bühne.
    Vieles konnte sie dort loswerden, alles nicht. Für so manche Rolle war sie ganz einfach noch zu jung, und das hieß, nicht all ihre Erfahrungen gestalten zu können in irgendeiner Form der Verkörperung und der Darstellung. Die Bühne war für sie nur ein Ort, wo sie Frieden und Vergessen fand. Sie konnte sich vorsagen: Die Zeit heilt alle Wunden - ohne es indes zu glauben. Warum nur hörte es nicht auf, so tief zu schmerzen? Als Dane noch am Leben gewesen war, hatte sie das als selbstverständlich genommen, hatte gar nicht so viel über ihn nachgedacht. Doch jetzt, da er tot war, klaffte eine Lücke auf: so riesig, daß sie daran verzweifelte, sie jemals füllen zu können. Eigentümlich, wie sich der Schmerz äußerte - und verewigte. Da flackerte irgendein Gedanke auf: das muß ich Dane unbedingt sagen oder schreiben; Herrgott, was wird er sich freuen. Und dann das Stutzen, das Gewahrwerden, das Begreifen. Ich kann es ihm nicht mehr sagen, er kann sich nicht mehr darüber freuen. Wären die Umstände seines Todes nicht so schrecklich gewesen, hätte nicht immer und immer wieder dieser furchtbare Alptraum sie heimgesucht, vielleicht wäre sie dann besser damit fertiggeworden. Aber so? Die Lücke, die er hinterlassen hatte, schloß sich nicht, und noch immer konnte es ihr Verstand nicht fassen: Er war tot - Dane war tot und würde nie mehr zurückkehren.
    Das Gefühl, ihn im Stich gelassen zu haben, verlor sich nicht. Außer ihr schienen alle zu glauben, Dane sei vollkommen gewesen und verschont geblieben von den inneren Nöten, die andere Menschen quälten. Sie jedoch wußte, daß er von Zweifeln geplagt worden war, und mehr: gemartert vom Gefühl, unwürdig zu sein. Was nur, hatte er sich gefragt, sahen die Menschen bei ihm außer seinem Gesicht und seinem Körper? Armer Dane. Nie schien er zu begreifen, daß die Menschen ihn liebten als das verkörperte Gute. Oft dachte sie an ihre Mutter. Wie sehr mochte Mum wohl leiden, wenn sie so litt? Und die Onkel, die doch so stolz auf ihn gewesen waren in Rom. Und die anderen auf Drogheda. Die Vorstellung ihrer Trauer war das Schlimmste.
    War es wirklich so schlimm? Gab es nicht etwas, das viel tiefer verstörte? Denn den Gedanken an Rain oder an das, was sie als ihren Verrat an Dane ansah, sie konnte es nicht verdrängen. Aus purem Egoismus hatte sie ihren Bruder allein nach Griechenland reisen lassen und nicht bei ihm sein können, als sie hätte bei ihm sein müssen, weil es sein Leben galt. Anders konnte und durfte sie es nicht sehen. Ihr Bruder war gestorben, weil sie voller Selbstsucht nur an Rain gedacht hatte. All ihre Reue brachte Dane nicht mehr zurück. Doch wenn sie Rain nie wiedersah, so büßte sie ihre Schuld vielleicht ab, wenigstens zum Teil.
    So vergingen die Wochen, die Monate. Schließlich war es ein Jahr, waren es zwei. Desdemona, Ophelia, Portia, Cleopatra. Sie gab sich völlig normal, sie lachte, sie scherzte. Äußerlich schien sie ganz die alte Justine zu sein, spontan und burschikos, oft auch distanziert und von beißender Ironie. Dennoch war da eine merkliche Veränderung in ihr. Im Gegensatz zu früher nahm sie den Kummer anderer so ernst, als ob es ihr eigener wäre.
    Zweimal setzte sie zu dem Versuch an, nach Drogheda zu reisen. Beim zweiten Mal kaufte sie sich sogar ein Flugticket. Doch jeweils tauchten, quasi in letzter Minute, triftige Gründe auf, die sie an der Abreise hinderten. Der wirkliche Grund war ihr durchaus bewußt: eine Mischung aus Schuldgefühl und Feigheit.
    Der Gedanke an eine Begegnung mit ihrer Mutter ängstigte und verschreckte sie. Gewiß würde dann alles zur Sprache kommen, die ganze furchtbare Geschichte. Und mußte das nicht erst richtig aufwühlen, was sie bislang leidlich unter Kontrolle gehalten hatte: Kummer, Schmerz, Gram? Schon der Gedanke an diese Möglichkeit war unerträglich.
    Die Menschen von Drogheda, vor allem ihre Mutter, sollten sich nicht weiter beunruhigen. Sie sollten glauben, daß in Justines Leben soweit alles in Ordnung sei: daß es ihr gelungen sei, sich wenigstens leidlich abzufinden mit dem Verlust. Und deshalb war es besser, sich von Drogheda fernzuhalten. Viel
    besser.
    Meggie unterdrückte ein Seufzen. Am liebsten hätte sie ein Pferd gesattelt und wäre ausgeritten. Doch heute taten ihr schon beim bloßen Gedanken daran die Gelenke weh. Ein andermal, ja, ein andermal - wenn ihr die Arthritis nicht so grausam zusetzte.
    Sie hörte die Geräusche eines

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