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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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fertiggebracht, ihn für Sekunden um Worte verlegen zu machen. »Sie ist nur so eine Art Mündel.«
    »Das ist es nicht, was Sie in ihr sehen, das wissen Sie so gut wie ich.« Aus seinen schönen blauen Augen traf sie ein sardonischer Blick. Jetzt fühlte er sich wieder selbstsicher. »Glauben Sie, daß ich mich an kleinen Kindern vergreife? Ich bin schließlich ein Priester.«
    »Zuallererst einmal sind Sie ein Mann, Ralph de Bricassart! Daß Sie ein Priester sind, gibt Ihnen nur das Gefühl, Sie seien gegen gewisse Versuchungen gefeit, das ist alles.«
    Er lachte, verdutzt. Heute schien sie gegen ihn die Oberhand zu behalten, als hätte sie in seinem Panzer eine Blöße entdeckt, durch die sie eindringen könne mit ihrem Spinnengift. Außerdem: War er noch der, der er vor einem Jahr, oder auch nur einem halben, gewesen war? Hatte er sich nicht geändert? Abgefunden mit dem Schicksal, das ihn nach Gillanbone verbannte? War das Feuer in ihm nicht inzwischen erloschen? Oder brannte es jetzt für anderes?
    »Ich bin kein Mann«, sagte er. »Ich bin ein Priester ... Vielleicht ist es die Hitze, der Staub und die Fliegen ... Aber ich bin kein Mann, Mary, ich bin ein Priester.«
    »Oh, Ralph, wie haben Sie sich doch verändert!« spottete sie. »Das kann doch nicht Kardinal de Bricassart sein, dessen Stimme ich da höre!«
    »Erstens«, sagte er, »glaube ich nicht, daß es möglich wäre. Und zweitens glaube ich nicht, daß ich es noch will.«
    Sie begann zu lachen und beobachtete ihn aufmerksam, während sie auf ihrem Sessel mit dem Oberkörper nach vorn wippte und wieder zurück. »Wirklich nicht, Ralph? Wirklich nicht? Nun, ich werde Sie noch ein bißchen schmoren lassen, aber keine Sorge, Ihr Tag kommt schon noch. Nicht gleich, gewiß nicht. Das kann noch zwei oder auch drei Jahre dauern. Aber kommen wird er, Ihr Tag. Ich werde wie der Teufel sein und Ihnen anbieten ... Genug gesagt! Aber zweifeln Sie nicht daran, daß ich dafür sorgen werde, daß Sie sich krümmen und winden. Sie sind der faszinierendste Mann, dem ich je begegnet bin. Sie schleudern uns Ihre Schönheit ins Gesicht, und Sie verachten uns dabei wegen unserer Narrheit. Aber ich werde Sie mit Hilfe Ihrer eigenen Schwächen an die Wand nageln und dafür sorgen, daß Sie sich fühlen wie eine angemalte Hure. Zweifeln Sie daran?«
    Lächelnd lehnte er sich zurück. »Ich bezweifle nicht, daß Sie es versuchen werden. Allerdings glaube ich nicht, daß Sie mich so gut kennen, wie Sie meinen.«
    »Nein? Nun, die Zeit wird es weisen, Ralph, und nur die Zeit. Ich bin alt, mir ist nichts geblieben als eben dies - Zeit.«
    »Und was glauben Sie, was ich im Überfluß habe?« fragte er. »Zeit, Mary, nichts als Zeit. Zeit und Staub und Fliegen.«
    Am Himmel häuften sich die Wolken, und Paddy begann auf Regen zu hoffen.
    »Trockene Stürme«, sagte Mary Carson. »Das bringt uns keinen Regen. Wir werden noch lange, noch sehr lange auf Regen warten müssen.«
    Wenn die Clearys geglaubt hatten, das australische Klima längst von seiner härtesten Seite zu kennen, so sahen sie sich jetzt eines Besseren, nein, eines Schlimmeren belehrt. Eine Dürre, vor allem eine Dürre dieses Ausmaßes, und dazu die sogenannten trockenen Stürme, das kannten sie bisher nicht. Die weiten Ebenen und der weite Himmel, jeglicher besänftigenden Feuchtigkeit beraubt, schienen sich trocken aneinander zu reiben, die mürbe Erde und die wie ausgelaugte
    Luft jedenfalls, und mehr und mehr staute sich auf, was sich wohl nur noch in einer ungeheuren gewaltsamen Entladung von Energie lösen konnte. Der Himmel sackte gleichsam tiefer, und es wurde so dunkel, daß Fee im Haus die Lampen anmachen mußte. Die Pferde in ihren Einzäunungen zitterten und zuckten beim leisesten Geräusch. Die Hühner hockten sich auf ihre Stange und duckten den Kopf auf die Brust. Die Hunde knurrten, kläfften, bissen einander. Die Schweine, die auf dem Abfallplatz herumschnüffelten, wühlten sich mit ihren Schnauzen in den Staub und schienen aus verdrehten Augen zu spähen. Was dort heraufdräute, erfüllte jede lebende Kreatur mit Furcht: Ungeheure Wolken verschluckten die Sonne, saugten sie völlig in sich auf, und jetzt schien dort oben alles bereit, vernichtenden Gluthauch gegen die Erde zu speien.
    Donner rollte, fern noch. Am Horizont zuckte es auf. Weiße Ballen blähten sich, mit harten Rändern, scharf kontrastierend zum Mitternachtsblau dahinter. Ein brüllender Sturm schaufelte Sand auf und schleuderte

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