Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
Vom Netzwerk:
Eigentümliches geschah. Sie lächelte, und dieses Lächeln wuchs gleichsam aus ihrem Schmerz heraus und war so voll überflutender, voll wirklich rückhaltloser Liebe, wie es wohl nur sein konnte, weil sie, in ihrer Welt, noch nichts wußte von den Beengungen und Beschränkungen, denen eine erwachsene Frau unterlag.
    Plötzlich würgte es ihn in der Kehle. Das Bewußtsein, so geliebt zu werden, erschütterte ihn tief, mehr noch, es verzehrte ihn fast und stachelte ihn auf zu einem Wunsch an jenen Gott, dessen Existenz er mitunter anzweifelte, daß der Schöpfer ihn, Ralph de Bricassart, einen anderen sein lassen möge als eben Ralph de Bricassart. War es vielleicht dies, das Namenlose, Unbekannte? O Gott, warum liebte er sie nur so sehr? Doch wie immer gab niemand ihm Antwort, und Meggie saß sehr still und lächelte ihn an. Im Morgengrauen stand Fee auf und machte Frühstück, wobei Stuart ihr half. Dann kam Mrs. Smith mit Minnie und Cat, und die vier Frauen standen am Herd zusammen und sprachen miteinander in monotonem Flüsterton, durch gemeinsame Trauer vereint, was weder Meggie noch der Priester begriffen.
    Nach dem Frühstück machte sich Meggie daran, den kleinen Sarg, den die Jungen gezimmert hatten, mit Satin auszukleiden
    - weißer Satin, der von einem längst aus der Mode gekommenen Abendkleid stammte. Fee hatte ihrer Tochter den Stoff wortlos in die Hände gedrückt.
    Während Pater Ralph eine Art polsterndes Unterfutter im Sarg befestigte, schnitt Meggie aus dem Satinkleid die passenden Stücke zurecht und nähte sie auf der Nähmaschine zusammen. Sodann brachten beide gemeinsam mit Hilfe von Reißzwecken den weißen Satin im Sarg an. Fee zog ihrem toten Kind seinen besten Samtanzug an, kämmte ihm das Haar und legte den Körper in das weiche, nestartige Innere des Sarges, wo es nach ihr roch und nicht nach Meggie, die doch die Mutter gewesen war. Paddy schloß den Sargdeckel, weinend. Hai war das erste seiner Kinder, das er verlor. Seit Jahren schon diente der Empfangsraum auf Drogheda als Kapelle. Am einen Ende hatte man einen Altar errichtet. Mit goldenem Stoff war er drapiert, für die Summe von eintausend Pfund von den Nonnen von St. Maria d’Urso für Mary Carson bestickt und jetzt von Mrs. Smith mit Blumen geschmückt wie überhaupt der ganze Raum: mit Winterblumen aus den Gärten von Drogheda, auch späten Rosen und Wallflowers und anderem mehr. In makellos weißer Albe und schwarzer, völlig schmuckloser Kasel hielt Pater Ralph die Totenmesse.
    Wie die meisten großen Outback-Stationen begrub auch Drogheda seine Toten auf eigenem Land. Der Friedhof befand sich jenseits der Gärten an den weidengesäumten Ufern des Creek. Weißgestrichenes, gußeisernes Geländer umgab ihn und zudem ein Rasenstreifen, der selbst jetzt noch grün war, denn er wurde aus den Tanks der Homestead bewässert. Hier auf diesem Friedhof lagen auch Michael Carson und sein kleiner, früh verstorbener Sohn, lagen in einem imposanten Grabgewölbe aus Marmor, das gleichsam gekrönt war von einem lebensgroßen Engel, der mit gezücktem Schwert ihre Ruhe bewachte. Doch rings um das Mausoleum gab es etwa ein Dutzend einfacher Grabstellen. Markiert wurden sie von glatten, weißen Kreuzen mit den Namen derer, die dort bestattet waren. Manche trugen nicht einmal einen Namen: Ein Schafscherer war bei einer blutigen Prügelei ums Leben gekommen, ob er Verwandte hatte, wußte man nicht; für zwei oder drei Tramps war die Viehstation zur letzten Station auf dieser Erde geworden; im Erdboden einer Koppel hatte man menschliche Gebeine gefunden und hier zur Ruhe gebettet: Mann, Frau? - niemand wußte es; aber auch Michael Carsons chinesischer Koch lag hier, und über seinen irdischen Überresten stand ein zierlicher, scharlachroter Schirm mit winzigen Glöckchen, die unaufhörlich voll Trauer seinen Namen zu bimmeln schienen, Hee Sing, Hee Sing, Hee Sing; und dann ruhte dort auch der Viehtreiber, auf dessen Kreuz nur stand: TANKSTAND-CHARLIE, ER WAR EIN GUTER KERL, und noch mehr lagen da. Doch für Hai, der immerhin ein Neffe der Besitzerin gewesen war, schickte sich eine solche Einfachheit nicht so ganz; und so wurde der Sarg im Grabgewölbe auf eine Art Seitensockel gestellt, bevor man wieder fest die schöngearbeiteten Bronzetüren schloß.
    Eine Zeitlang sprachen alle viel von Hai, dann erwähnten sie seinen Namen nur noch nebenbei. Meggie verschloß ihren Schmerz in sich. Vieles daran war noch von jener Verzweiflung, wie Kinder sie

Weitere Kostenlose Bücher