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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Mary« galt.
    Ganz besonders liebten alle »Clancy von der Überschwemmung«, und ihr Lieblingspoet war »der Banjo« - Holterdiepolter-Knittelverse vielleicht, allerdings waren sie für akademische Gemüter auch nie gedacht gewesen. Aus dem Volk kommend, gingen sie wieder zum Volk, und damals gab es mehr Australier, die diese Gedichte auswendig kannten und hersagen konnten, als solche, die jene kannten, welche zum offiziellen Unterrichtsstoff gehörten: von Tennyson etwa oder von Wordsworth. Für ihre Verse hatte England als Inspiration gedient, doch was sollten, beispielsweise, »himmlisch viele Narzissen« den Clearys bedeuten, die in einem Klima lebten, wo diese wie auch manche andere Blumen gar nicht gediehen? Die Clearys verstanden die Busch-Poeten besser als andere Leute, denn die »Überschwemmung« ereignete sich gleichsam auf ihrem Hinterhof, und auch die »wandernden Schafe« waren für sie Wirklichkeit, und zwar auf den sogenannten TSRs, den Traveling Stock Routes. Das bezeichnete Strecken, eigens für
    Vieh, die über weite Entfernungen hinwegführten. Eine solche offizielle TSR schlängelte sich auch nahe dem Barwon-River entlang, über freies Kronenland, wie es genannt wurde, und der wichtige Sinn des Ganzen bestand darin, daß man, über viele miteinander verbundene Stockroutes hinweg, lebendiges Vieh etwa vom einen Ende der östlichen Hälfte des Kontinents zum anderen Ende schaffen konnte, ohne auf Transportmittel angewiesen zu sein. In früheren Zeiten waren die Viehtreiber und ihre fast buchstäblich alles kahlfressenden Herden gefürchtet und verhaßt gewesen, zumal bei jenen Squattern, durch deren bestes Weideland sie zogen. Jetzt, wo es die offiziellen Stockroutes gab, war das Verhältnis zwischen Umherziehenden und Ansässigen denn doch wesentlich friedlicher, und die alten Geschichten von Viehtreibern und ihren Herden, die wie Heuschrecken schwärme über das Land herfielen, wurden immer mehr zu Legenden - waren Legenden.
    Kamen die Treiber heutzutage herbeigeritten, was nicht allzu häufig geschah, so waren sie durchaus willkommen, auf ein Bier vielleicht und einen Plausch, auch eine richtige »hausgekochte« Mahlzeit. Manchmal hatten sie Frauen bei sich, die Sulkies fuhren mit bockigen alten Gäulen zwischen den sogenannten Gabeln. Schwer ramponierte Fahrzeuge waren es, und rundum baumelten daran Töpfe und Feldkessel und Flaschen, und es klapperte und rasselte, daß es nur so eine Art hatte.
    Diese Frauen waren entweder die vergnügtesten, die es im ganzen Outback gab, oder aber die verdrossensten. Von Kynuna zogen sie zum Paroo, von Goondiwindi nach Gundagai, von der Katherine zum Curry. Sonderbare Frauen waren das. Nie hatten sie ein Dach über dem Kopf gekannt oder eine Kapok-Matratze unter ihren eisenharten Wirbelsäulen, und kein Mann hatte ihnen je wirklich geholfen. Sie waren so zäh und so widerstandsfähig wie das Land, das unter ihren rastlosen Füßen davonglitt. Ihre Kinder, wild wie
    Vögel in verdorrten Bäumen, drückten sich scheu hinter SulkyRädern herum oder stoben davon, um hinter Holzhaufen Deckung zu suchen, während ihre Eltern bei einer Tasse Tee ebensogern plauschten wie Bücher tauschten und dann versprachen, Hoopiron Collins oder Brumby Waters dieses und jenes auszurichten oder auch die phantastische Geschichte von dem Einwanderer und Neuling auf Gnarlunga erzählten. Und irgendwie konnte man sicher sein, daß diese wurzellosen Wanderer irgendwo auf einer Stockroute ein Grab gegraben hatten, um einen Kumpel oder ein Kind oder den Mann oder die Frau zur letzten Ruhe zu betten, unter einem unvergessenen Coolibah, der nur für jene ununterscheidbar blieb als Baum inmitten einer Wildnis von Bäumen, die nicht wußten, wie genau Herzen das Besondere und Einmalige erkennen.
    Meggie kannte nicht einmal die Bedeutung eines so abgedroschenen Ausdrucks wie »aufgeklärt werden«, geschweige denn, daß sie über die damit umschriebenen Dinge auch nur im entferntesten im Bilde gewesen wäre. Die Umstände hatten sich gleichsam verschworen, ihr jeden Zugang zu den sogenannten »Tatsachen des Lebens« zu versperren. Ihr Vater zog zwischen den weiblichen und den männlichen Mitgliedern der Familie eine strikte Linie. Über Zucht oder Paarung wurde in Gegenwart der Frauen nie gesprochen, auch hatte man vor ihren Augen nur voll bekleidet zu erscheinen. Bücher, die Meggie irgendeinen Hinweis hätten geben können, kamen nie nach Drogheda. Gleichaltrige Freundinnen, von denen

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