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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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kalt.
    »Ich habe doch nur …« Elena brach ab und setzte neu an: »Catia, wir alle verstehen, wie dir zumute ist. Es geht uns doch genauso. Wir alle lieben den Jungen.«
    »Und woher hätte der Entführer denn wissen sollen, daß Elena …?« fragte Angelo.
    »Gute Frage«, sagte Catia. »Ist euch übrigens aufgefallen, daß er genau die Summe verlangt, die Marisa Curzio gestern nannte? Zwei Millionen.«
    »Catia, du verrennst dich da in etwas!« sagte Franco Marcantoni, doch er konnte sie nicht mehr stoppen.
    »Er weiß über alles Bescheid, er hat die Gelegenheit genutzt, die ihr ihm geboten habt, und er war heute nacht hier im Dorf, wo man ein Auto schon eine halbe Stunde vor der Ankunft hört«, sagte Catia. »Glaubt ihr, er ist aus Pergola zu Fuß hergelaufen? Nein, der Entführer ist von hier, er ist einer von euch.«
    Jemand, der einen kleinen Jungen in seine Gewalt brachte und Spaß daran fand, ihn mit dem Tod zu bedrohen, sollte aus Montesecco sein? Das war nicht möglich!
    »Und weil das so ist«, sagte Catia unbeirrt, »weil der Entführer einer von euch ist, möchte ich ihm jetzt drei Dinge sagen: Erstens wird kein einziger Polizist nach Montesecco kommen. Zweitens werde ich alles tun, um das Geld rechtzeitig zu beschaffen. Und drittens: Wenn er meinem Sohn ein Haar krümmt, bringe ich ihn um. Wenn er meinem Sohn auch nur mit einem Wort Angst einjagt, bringe ich ihn um. Wenn er es meinem Sohn an irgend etwas fehlen läßt, bringe ich ihn um.«
    Am Vitrinenschrank hingen Bilder, die Minh mit Wachsmalkreiden gemalt hatte. Roboter, Dinosaurier, ein hellblaues Meer, auf dessen Horizontlinie ein gelbes Schiff balancierte, ein Feuerwehrauto mit überdimensionaler Leiter – was achtjährige Jungen eben so malten. Das einzig Besondere war vielleicht, daß durch jedes Bild die immer gleichen stilisierten Vögel segelten.
    Matteo Vannoni spürte, daß er etwas sagen sollte. Nicht irgend etwas, sondern das richtige Wort, das die Mordgedanken auslöschte und die verzweifelte Bitternis seiner Tochter linderte. Ein Wort, das Catia im Innern erreichte und ihr bewies, daß sie nicht allein war. Es sollte Hoffnung und Tatkraft vermitteln, ohne verlogen zu sein. Ihm fiel nichts ein. So ein Wort gab es nicht.
    Vannoni hätte sich verfluchen können, weil er sich darauf verlassen hatte, daß Minh bei seiner Mutter sei. Er hätte spüren müssen, daß das nicht stimmte. Er hätte auf jeden Fall nachforschen müssen. Vannoni betrachtete dasFeuerwehrauto mit der überlangen Leiter. Dann stand er auf und ging hinaus, um beim Polizeiposten in Pergola anzurufen. Der Polizist am Telefon wußte nichts von einer Fahndung nach einem achtjährigen Jungen. Er fragte, wann die Vermißtenanzeige aufgegeben worden sei.
    »Wenn Sie nichts haben, um so besser«, sagte Vannoni.
    »Der Junge ist wieder da?« fragte der Polizist.
    »Es hat sich erledigt«, sagte Vannoni. Als er zurück ins Wohnzimmer kam, waren die anderen schon gegangen. Catia saß allein auf der Couch. Sie hatte die Füße angezogen, die Arme über den Knien verschränkt und knabberte an den Nägeln der linken Hand. So mußte sie als Kind oft dagesessen haben. Das wenigstens hatten die Sgreccias erzählt, bei denen Catia aufgewachsen war. Vannoni war ja all die Jahre fort gewesen. Er hatte einiges gutzumachen.
    »Catia …«, sagte er.
    »Laß mich einfach ein paar Minuten allein!« sagte Catia.
    Aus den paar Minuten wurden zweieinhalb Stunden. Dann war Catia soweit, sich um das zu kümmern, was am dringendsten war. Zwei Millionen Euro mußten beschafft werden, und nach Lage der Dinge konnte das nur gelingen, wenn sie die zwei Männer, die den Nachlaß Benito Sgreccias beanspruchten, an einen Tisch bekam.
    Das war komplizierter als gedacht. Angelo Sgreccia war zwar durchaus zu solch einem Treffen bereit, hielt es aber für sinnvoll, sich vorher über die rechtliche Lage kundig zu machen. Seinen Mailänder Anwalt könne er leider erst nach 15 Uhr erreichen. Nachmittags war dann Ivan Garzone verschwunden. Nach Auskunft von Marta wollte er die Windgeschwindigkeit an einigen ausgewählten Stellen rund um Montesecco vermessen, war aber bei allem Suchen nirgends aufzufinden. Als er gegen 18 Uhr zurückkehrte, sagte er Catia, sie solle sich beruhigen, er sei ja nun da, und wenn Angelo wolle, könne er sofort zu ihm in die Bar kommen, um die Sache zu klären.
    Angelo weigerte sich mit der Begründung, daß es in Ivans Bar zu zugig sei, und überhaupt scheine ihm ein

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