Die Drachen von Montesecco
nichtöffentlicher Raum wie zum Beispiel sein eigenes Wohnzimmer für solche Gespräche geeigneter. Ivan ließ ausrichten, daß er keinen Fuß in das Haus von jemandem setze, dem seine Bar nicht gut genug sei. Erst nach Vermittlung von Milena Angiolini und Lidia Marcantoni einigten sich die beiden auf ein Treffen im kleinsten Kreise und auf neutralem Terrain.
Um 20 Uhr saßen sich dann Angelo Sgreccia und Ivan Garzone an den Stirnseiten eines alten Tisches im Pfarrhaus gegenüber. Außer ihnen war nur Catia anwesend. Der Tisch wackelte, es war zugig, und von der Decke hing eine nackte Glühbirne, da die von Benito angeschafften Designerlampen schon wieder abmontiert waren.
Catia begann ohne Einleitung: »Für den Entführer ist das Leben meines Sohnes zwei Millionen wert, für mich ist es unbezahlbar.«
»Natürlich!« sagte Angelo Sgreccia. Er überschlug, wieviel von den fünfeinhalb Millionen nach Abzug der zwei Millionen Lösegeld, der Anwaltskosten und Gebühren noch bleiben würde. Gott sei Dank hatte Berlusconi wenigstens die Erbschaftssteuer abgeschafft.
»Unbezahlbar auch in der Hinsicht, daß ich selbst das Geld niemals aufbringen kann«, sagte Catia. »Deshalb brauche ich euch.«
»Völlig klar«, sagte Ivan Garzone. Ihn ärgerte, daß sie nicht wenigstens bitte sagte. Aber nein, die junge Dame machte es sich leicht: Ihr habt das Geld, ich brauche es, also her damit! Es interessierte sie nicht, daß damit Ivans gesamte Kalkulation zusammenbrach. Er hatte eh knapp gerechnet, hatte Co-Investoren und Kredite eingeplant. Aber wenn man das Grundkapital so ausdünnte, dann kam das Projekt überhaupt nicht auf die Beine. Die Zukunft Monteseccos …
»Seid ihr bereit, mir das Geld zu geben?« fragte Catia.
»Selbstverständlich«, sagte Angelo Sgreccia. Ihm ging nicht aus dem Kopf, daß die Lösegeldforderung in seinem Briefkasten gesteckt hatte. Als wolle der Entführer gerade ihn moralisch unter Druck setzen. Weil er sich nicht mit diesem hirnverbrannten Testament zufriedengeben konnte? Weil er einklagen wollte, was ihm zustand?
»Ivan?« fragte Catia.
»Keine Frage, ja, natürlich«, beeilte sich Ivan zu sagen. Er fragte sich, ob er und alle anderen in die falsche Richtung gedacht hatten. Vielleicht ging es bei dieser Entführung gar nicht darum, daß jemand schnell reich werden wollte. Vielleicht ging es darum, ihn, Ivan Garzone, so ausbluten zu lassen, daß er das Projekt seines Lebens buchstäblich in den Wind schreiben konnte.
»Gut«, sagte Catia, »das hätten wir geklärt.«
»Es gibt da leider ein Problem«, sagte Angelo Sgreccia. Er sah zur gegenüberliegenden Seite des Tischs. War es nicht seltsam, daß das Kind entführt worden war, kurz nachdem er das Testament angefochten hatte? Er wollte niemandem etwas unterstellen, aber drängte sich der Verdacht nicht geradezu auf, daß Ivan sich anderweitig holen wollte, was ihm vor Gericht zu entschwinden drohte? Vielleicht hatte Ivan selbst den Jungen … Angelo schüttelte den Kopf. Er fuhr fort: »Ich komme nicht an das Erbe heran. Keiner kommt da heran. Außer wenn Ivan seine Annahmeerklärung zurückziehen und schriftlich auf jede Art von Ansprüchen verzichten würde.«
»Es geht um das Leben eines unschuldigen Kindes«, sagte Catia. »Verzichtest du, Ivan?«
Natürlich stellt sich Catia auf seine Seite, dachte Ivan. Kein Wunder, sie war ja bei den Sgreccias aufgewachsen. Und auch wenn sie immer so tat, als sei sie auf niemanden angewiesen, saß so etwas tief. Und sie hatte darauf bestanden, die Polizei aus dem Spiel zu halten. Angeblich, um den Jungen nicht zu gefährden. Vielleicht steckte aber etwas ganz anderes dahinter. Was ist, wenn es gar keineEntführung gegeben hat? dachte Ivan. Wenn Catia ihren Jungen irgendwo versteckt und hier die verzweifelte Mutter spielt, um mich zu Tränen zu rühren? Sobald ich auf den Nachlaß verzichte, taucht der Junge auf, als sei nichts gewesen, Sgreccia lacht sich ins Fäustchen und gibt Catia ein paar Hunderttausend ab. Das hätten die sich so gedacht! Ivan sagte: »Natürlich würde ich verzichten, wenn es die einzige Möglickeit wäre. Sie ist es aber nicht, sie ist nicht einmal die beste. Wir haben schließlich ein Testament vorliegen. Viel einfacher wäre, wenn Angelo seine Anfechtungsklage zurückziehen und sich schriftlich verpflichten würde, den letzten Willen seines Vaters anzuerkennen.«
»Er war nicht mehr bei Sinnen, das weißt du genau«, sagte Angelo.
»Er formulierte ziemlich klar
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