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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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die vergangenen Tage gequält hatte. Er begann in der oberen Hälfte des Dorfs, quetschte zuerst Milena Angiolini aus. Kurz danach traf er auf der Straße Donato, der ihm versicherte, daß nur eine Höhle in Frage käme. Als Kind habe er sich jedenfalls immer eine Höhle als Geheimversteck vorgestellt, in der man Kerzen anzünden und Botschaften an die Nachwelt in den Fels ritzen konnte. Nein, er kenne auch keine geeignete Höhle in erreichbarer Nähe, und mitgeteilt habe ihm der Jungegar nichts. Vorstellbar wäre deshalb auch ein Baumhaus mit einziehbarer Strickleiter oder eventuell …
    Vannoni ließ ihn stehen und klopfte bei Costanza Marcantoni. Die Alte saß in ihrem Lehnstuhl. Auf der Decke, mit der sie sich eingehüllt hatte, schnurrte eine schwarze Katze. Weitere fünf oder sechs dösten irgendwo im Raum zwischen leeren Konservendosen, schmutzigem Geschirr und achtlos verstreuten Plastiktüten.
    »Ja, ja, der Kleine, der kommt oft hierher.« Costanza nickte heftig. Ihre gelblichweißen Haare hingen wirr durcheinander. Sie schienen wochenlang nicht gewaschen worden zu sein.
    »Ganz der Vater.« Costanza Marcantoni kicherte. »Als Paolo klein war, wollte er auch immer die Katzen streicheln. Jetzt haßt er sie, und die Katzen hassen ihn auch.« Sie zog eine grimmige Grimasse.
    »Paolo ist seit neun Jahren tot«, sagte Vannoni, »und er ist nicht der Vater Minhs.«
    »Ist er nicht?« fragte die Alte. »Ich dachte …«
    »Hat Minh mal etwas von einem Geheimversteck erzählt?« fragte Vannoni. Allmählich gewöhnte er sich an den strengen Geruch der Katzenpisse.
    »Natürlich«, sagte die Alte, »aber ich darf es nicht weitersagen.«
    »Es ist wichtig«, sagte Vannoni.
    »Ich habe es Giorgio versprochen«, sagte Costanza. Ihre rechte Hand zitterte unter der Decke hervor. Nur Haut und Knochen.
    »Er heißt Minh«, sagte Vannoni.
    »So?« fragte die Alte. »Ich dachte …«
    »Was für ein Versteck?« fragte Vannoni. »Ich schwöre, daß ich es für mich behalte.«
    Costanza ächzte. Dann winkte sie ihn mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung heran. Vannoni beugte sich zu ihr hinab, so daß sie ihm ins Ohr flüstern konnte: »Hinten im Lieferwagen!«
    »Welcher Lieferwagen?«
    »Paolos Lieferwagen«, raunte die Alte. »Der weiße mit dem geschlossenen Laderaum.«
    Paolos Lieferwagen war seit Jahren verschrottet. Vannoni nickte. Er sagte: »Danke, Costanza!«
    Ihre Fingernägel krallten sich in seinen Unterarm. »Du darfst es niemandem verraten, Giorgio!«
    »Ich bin Matteo«, sagte er, »und von mir erfährt niemand ein Wort.«
    »Matteo?« fragte die Alte. Sie sah ihn mißtrauisch an.
    »Ich schaue mal wieder vorbei«, sagte Vannoni.
    Auch bei seinen nächsten Besuchen konnte er nichts Brauchbares herausfinden. Genausowenig wie Antonietta, die es übernommen hatte, Catia zu befragen, wofür Vannoni dankbar war. Jeder Blick und jede Geste seiner Tochter ihm gegenüber waren ein einziger Vorwurf. Doch Catia wußte sowieso nichts und war darüber hinaus mehr als skeptisch, was Vannonis Theorie anging. Sie mochte nicht glauben, daß ihr Sohn sie tagelang so auf die Folter spannen könnte.
    Den Durchbruch brachten Sabrina und Sonia. Sie hatten die Klassenkameraden Minhs unter sich aufgeteilt und wollten alle einzeln abklappern. Es dunkelte schon, als Sabrina in Monterolo einen gewissen Niccolò Camporesi aufsuchte, der sich an ein Gespräch über Geheimverstecke erinnerte. Dabei habe Minh gesagt, daß es in seinem Versteck einen Globus gebe. Wenn man den anschalte, sei die ganze Welt von innen beleuchtet, und man könne sie drehen und mit dem Finger übers Meer nach Vietnam fahren. Wo das Versteck war, wußte der kleine Camporesi nicht. Er sagte nur noch, daß ein Globus nicht schlecht wäre, er selbst aber Pfeil und Bogen für wichtiger halte, falls mal eine Büffelherde vorbeiziehen würde.
    Ein Globus. Und ein funktionierender Stromanschluß!
    »Ist es möglich, daß sich Minh in einem bewohnten Haus versteckt?« fragte Antonietta.
    »Ohne daß irgend jemand das bemerkt hat?« fragte Sabrina.
    »Es muß eines der verschlossenen Häuser sein«, sagte Vannoni.
    Davon gab es einige in Montesecco. Eines gehörte einer deutschen Goldschmiedin, die meisten aber alteingesessenen Familien, die auf der Suche nach Arbeit in den Norden Italiens oder ins Ausland abgewandert waren und nur in den Sommerferien in die alte Heimat zurückkehrten. Oder allenfalls noch über die Weihnachtsfeiertage. Den Rest des Jahres waren die

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