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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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oder?«
    »Unbedingt!« sagte Curzio.
    »Aber woher soll man wissen, welche Regel anzuwenden ist?« Forattini weinte fast ins Telefon. »Wie macht ihr das in eurem verdammten Montesecco? Wer sagt euch, ob ihr euch an Maikäfern oder an Maulwurfshügeln orientieren sollt? Und ob es gerade Winter oder Sommer an der Börse ist?«
    Curzio nickte der Marmorplatte in der Friedhofsmauer zu. So war also Benito zu seinem Vermögen gekommen! Tatsächlich mit Börsenspekulationen. Es steckten keine krummen Geschäfte dahinter. Nur ein paar Bauernregeln. Curzio war fast ein wenig enttäuscht.
    »Wie zum Teufel wißt ihr das?« schluchzte Forattini.
    »Reich werden war ja gar nicht so schwer, Benito«, murmelte Curzio.
    »Wie bitte?« fragte Forattini.
    »Das habe ich auch nie behauptet«, wisperte Benitos Windstimme über den Friedhof. Curzio überlegte, ob er auch versuchen sollte, ein Vermögen zusammenzuspekulieren. In den paar Jahren, die ihm noch blieben. Vielleicht waren es auch nur noch ein paar Monate.
    »Hast du dir mal überlegt, wo du liegen wirst, wenn du tot bist?« fragte Benito.
    Die Gräber von Curzios Vorfahren befanden sich an der Nordseite. Eigentlich sollte er dort bestattet werden. Auch schräg über Benito war noch eine Grabnische frei. Doch wenn die Sonne brannte oder wenn es stürmte, war man da oben besonders ausgesetzt. Und außerdem hätte Curzio die Marmorplatte von Benitos Grab gern im Blick gehabt.
    »Mal sehen«, sagte Curzio.
    »Ganz wie du meinst«, sagte Benito.
    »Herr Curzio, sind Sie noch dran?« fragte Forattini durchs Telefon.
    Curzio spürte einen sanften Lufthauch auf der Haut. Er überlegte, was wohl genau passierte, wenn der Wind einschlief. Hörte er einfach auf? Blieb gar nichts zurück, wenn er nicht mehr vorwärts trieb, wenn er sich nicht mehr bewegte? Konnte man das mit dem Sterben von Menschen vergleichen? Curzio sagte ins Telefon: »Herr Forattini, wenn Sie kaufen wollen, unbedingt in der Energiebranche! Aber schauen Sie genau hin, und denken Sie daran: Dreht mehrmals sich der Wetterhahn, so zeigt er Sturm und Regen an.«
    »Du bist von zu Hause fortgelaufen«, sagte ich.
    »Weil ich Angst vor dem schwarzen Mann hatte«, sagte der Junge.
    »Lüg mich nicht an!« Auch wenn er noch ein Kind war, konnte er über die Tatsachen nicht einfach hinweggehen. Wer sollte ihm sonst glauben?
    »Aber du hast doch selbst gesagt …«
    »Ich spiele überhaupt keine Rolle«, sagte ich. »Es geht um dich. Und darum, daß du fortgelaufen bist, bevor der schwarze Mann aufgetaucht ist und dich entführt hat.«
    Der Junge schwieg. Ich packte mir ein Panino aus. Es war mit gekochtem Schinken und Mozzarella belegt. Ich biß hinein und kaute. Ich fragte: »Oder?«
    »Ja«, sagte der Junge.
    »Warum bist du fortgelaufen?« fragte ich.
    »Ich weiß nicht.«
    »Wenn du nicht fortgelaufen wärst, hätte dich der schwarze Mann nie kriegen können.«
    »Doch, er hätte mich überall gekriegt. Er ist böse und gefährlich.«
    »Vielleicht«, sagte ich. »Aber du hast es ihm leicht gemacht, das mußt du zugeben.«
    »Ich wußte doch nichts vom schwarzen Mann«, flüsterte der Junge. »Ich wollte nur nicht zu …«
    »Zu wem?« fragte ich und biß von meinem Brötchen ab.
    »Zu Großvater und den Lucarellis«, sagte der Junge zögernd.
    »Von denen hätte dir doch keiner etwas getan, oder?«
    »Nein.«
    »Und vor dem schwarzen Mann wärst du dort sicher gewesen.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Doch, das weißt du genau!«
    »Dort ist aber nicht mein Zuhause«, murmelte der Junge.
    »Das stimmt«, sagte ich. »Aus deinem Zuhause hat dich deine Mutter weggeschickt.«
    Das Panino war nicht mehr ganz frisch, schmeckte aber noch einigermaßen. Ich drehte den Verschluß der Wasserflasche auf und nahm einen Schluck.
    »Du fühlst dich, als hättest du gar kein richtiges Zuhause, stimmt’s?« fragte ich. »Du glaubst, deine Mutter habe dich …«
    »Kann ich mal beißen?« Der Junge deutete auf das halbe Panino in meiner Hand.
    Ich schüttelte den Kopf. »Wie sagt man?«
    »Kann ich bitte mal beißen?« sagte der Junge. Ich legte mein Panino vorsichtig auf das Einwickelpapier, damit es nicht mit dem schmutzigen Boden in Berührung kam. Dann holte ich ein zweites aus meiner Tasche und wickelte es aus. Es war mit Salami belegt.
    »Magst du Salami?«
    Der Junge nickte und griff nach dem Panino. Ich zog meine Hand zurück und sagte: »Du denkst, du bist ein armer kleiner Junge, um den sich niemand kümmert. Aber das stimmt

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