Die Drachenflotte (German Edition)
fotografieren?»
«Möglich wäre es doch. Gelesen hat mein Vater die Mail auf jeden Fall. Es war eine der letzten, die er gelesen hat.»
«Aber warum hätte Pierre um neue Fotos bitten sollen?»
«Um meinen Vater zu verleiten, die Fundstelle preiszugeben, natürlich. Damit er ein GPS aufs Boot schmuggeln und sich vor Beginn der Arbeiten selbst bedienen könnte.»
Knox schüttelte den Kopf. «Sie haben doch sein verständnisloses Gesicht gesehen, als Sie ihm das GPS zeigten. Das war nicht gespielt. Außerdem haben Sie selbst gesagt, dass Ihr Vater ermordet worden ist. Wie soll er das von Antananarivo aus gemacht haben?»
«Vielleicht ist er zurückgekommen. Für seinen Vortrag hätte er einen Vormittag oder einen Nachmittag gebraucht, aber er ist angeblich die ganze Woche geblieben und hat mich dann am Flughafen abgeholt. Kann es nicht sein, dass er sich so nur ein Alibi sichern wollte?»
«Sie meinen, er ist Mitte der Woche hierher zurückgekommen? Aber das ist eine teuflische Fahrt.»
«Ja, aber er kann ja geflogen sein. Gehen wir doch mal ein paar Tage zurück. Er will unbedingt wissen, wo das Wrack liegt, aber Adam sagt es ihm nicht. Er muss zu dieser Konferenz in Antananarivo und erfindet irgendeine Geschichte, dass er wegen der Genehmigungen noch mal zum Kulturministerium muss. Vielleicht hatte er auch wirklich einen Termin dort, ist ja egal. Er bittet meinen Vater, an einem bestimmten Tag in seine E-Mails zu sehen, für den Fall, dass er irgendwelche Unterlagen brauchen sollte, dann fährt er in seinem Pick-up los. Aber anstatt nach Antananarivo fährt er zum nächsten Flugplatz. Nicht nach Toliara, dort ist er zu bekannt. Nach Manjo oder Morombe oder so. Er fliegt nach Antananarivo, meldet sich in seinem Hotel an, hält seinen Vortrag und zeigt sich ein bisschen. Er bittet meinen Vater um neue Fotos vom Wrack, dann fliegt er wieder hier runter, setzt sich in seinen Pick-up und –» Sie brach ab und schüttelte frustriert den Kopf. «Nein. Er hätte ein Boot gebraucht, um zur Yvette rauszukommen.»
«Er kann sich ja im Schiffsraum versteckt haben.»
«Und wie soll er hinterher wieder an Land gekommen sein? Die Yvette ist weit draußen gefunden worden.»
«Was ist mit seinem Zodiac?», meinte Knox. «So ein Schlauchboot lässt sich doch leicht hinten auf einem Pick-up transportieren.»
«Ja», sagte Rebecca. «Natürlich. Er fliegt hier runter, fährt mit dem Wagen bis kurz vor Eden, steigt in sein Zodiac um, schmeißt den Motor an und tuckert hier runter, um vor dem Riff auf die Yvette zu warten. Vielleicht fährt er zu ihnen hin, vielleicht entdecken sie ihn. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, die ausartet. Er tötet sie und wirft sie über Bord. Dann lässt er die Yvette treiben, schippert in seinem Zodiac zu seinem Wagen zurück und braust nach Antananarivo, bevor jemand merkt, dass er weg war.»
«Das ist verdammt viel verlangt», meinte Knox.
«Aber so könnte es gewesen sein, oder?», fragte Rebecca. «Ich meine, theoretisch.»
«Ja, theoretisch könnte es so gewesen sein.»
Beider Blicke schweiften zu Pierre, der im Heck saß. Vielleicht spürte er etwas, denn genau in diesem Moment sah er auf. Er verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln, stand auf und kam zum Cockpit. Seine Nervosität wurde gerade durch sein Bemühen, sie zu verbergen, nur umso deutlicher. «Was ist?», fragte er.
«Du warst es», platzte Rebecca unbeherrscht heraus. «Du hast meinen Vater und meine Schwester ermordet.»
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 45
I
P ierre starrte Rebecca entsetzt an, aber Knox konnte nicht erkennen, ob dahinter eher Erschütterung oder Schuldbewusstsein stand. «Ich?», rief er fassungslos. «Wie kannst du so etwas sagen?
«Du hast sie getäuscht», beharrte Rebecca. «Du hast sie hier rausgelockt.»
«Nein. Das ist doch Irrsinn.»
«Und dann hast du sie ermordet.»
«Nein!» Pierre wies mit zitterndem Finger auf Knox. «Das kommt nur von ihm. Er hat dich beeinflusst.»
«Larvensifakas», sagte Rebecca.
Jetzt konnte man ihm sein Schuldbewusstsein ansehen, und offenbar merkte er das. Tränen schossen ihm in die Augen, er wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Das Boot tauchte in ein Wellental, sein linkes Bein rutschte weg, er torkelte zur Tür hinaus und taumelte das Deck entlang. Sie rannten ihm nach. Er packte einen Bootshaken, drehte sich um und schwenkte ihn drohend. «Bleibt weg!», schrie er. «Bleibt ja weg.»
«Sonst passiert was?», fragte
Weitere Kostenlose Bücher