Die Drachenflotte (German Edition)
wenige Wochen entfernt. War es möglich, dass das Verschwinden der Kirkpatricks damit in Zusammenhang stand? Fünf Minuten plagte er sich noch, dann gab er auf. Er druckte die E-Mail aus und nahm sie mit zu Miles’ Kabine. Nachdem er den Freund mit lautem Klopfen geweckt hatte, trat er ein und knipste das Licht an. «Da, lies.»
«O Gott», murmelte Miles. «Die Armen.» Aber viel Herz steckte nicht in seinen Worten, zum einen weil er Emilia nie so nahegekommen war wie Knox, zum anderen weil ihn mehr als genug eigene Sorgen belasteten. Doch dann erkannte er schlagartig, warum Knox ihn geweckt hatte, und sagte schroff: «Nein, mein Freund. Ich brauche dich hier.»
«Nicht so dringend, wie sie mich dort brauchen.»
«Da läuft bestimmt schon eine Riesensuchaktion. Von Leuten, die das Gebiet kennen. Was kannst du da schon beisteuern?»
«Sehr viel vielleicht, wenn es mit der Winterton zu tun hat.»
«Wie denn?», fragte Miles stirnrunzelnd. «Kein Mensch sonst weiß davon.»
«Vielleicht doch. Sie haben uns die Genehmigungen besorgt, vergiss das nicht. Es muss also bei der Regierung Leute geben, die Bescheid wissen. Außerdem liegt sie ja nur um die dreißig Meter tief. Es kann leicht sein, dass ein Fischer oder Taucher zufällig darauf gestoßen ist. Wenn das zutrifft und Adam und Emilia deswegen verschwunden sind, hat die Polizei kaum eine Chance.»
«Die Kirkpatricks würden bestimmt nicht wollen, dass du mit der Polizei redest», sagte Miles. «Es sei denn, es gibt keine Alternative. Du weißt doch selbst, wie wichtig Emilia absolute Geheimhaltung war.»
«Genau deshalb muss ich selbst da runter», erklärte Knox. «Wenn es nichts mit der Winterton zu tun hat, komme ich sofort zurück, das verspreche ich. Aber wenn doch …»
Er merkte, dass seine Argumente nicht ausreichten. «Miles», setzte er noch einmal nach, «sie ist eine Freundin. Du weißt nicht, wie viel ich ihr schulde. Ich mache die neuen Pläne fertig, bevor ich starte, für alles Übrige brauchst du mich doch im Grunde gar nicht. Für die Suche auf dem Meeresboden hast du genug Taucher zur Verfügung, die besser sind als ich.»
Miles schüttelte den Kopf, mittlerweile mehr resigniert als ablehnend. Mit einem schiefen Lächeln zu Knox sagte er: «Du weißt, dass wir nahe daran waren, dich zu feuern?»
«Ja», sagte Knox.
«Nicht nur, weil du dich kaum eingebracht hast, obwohl es da weiß Gott gehapert hat. Aber du warst die ganze Zeit so trübsinnig, dass du alle anderen mit runtergezogen hast.»
«Ich weiß.»
«In einem kleinen Unternehmen wie unserem ist die Moral der Leute wichtig.»
«Ja, natürlich», stimmte Knox zu. «Ich hab ehrlich gesagt nie verstanden, warum ihr mich so lange behalten habt.»
Miles lachte trocken. «Na ja, vielleicht haben wir mit dir gelitten nach dem, was passiert war. Wir haben uns gesagt, dass du Zeit brauchst. Und dann ist sie aufgekreuzt.» Er musterte Knox mit zusammengekniffenen Augen. «Du hast uns nie erzählt, was an dem Wochenende passiert ist.»
«Nein», sagte Knox nur.
«Na gut.» Miles seufzte. «Tu, was du nicht lassen kannst. Bring sie und ihren Vater zurück, wenn es irgendwie zu machen ist. Aber ganz gleich, was du denkst, ich brauche dich hier auch. Versprich mir also, dass du zurückkommst, sobald es irgendwie möglich ist.»
«Versprochen», sagte Knox. «Und danke.»
II
Rebecca landete am späten Vormittag auf dem Ivato Flughafen von Antananarivo. In der schäbigen Ankunftshalle voller Menschen wurde sie von Pierre erwartet, der selbst gekommen war, um sie abzuholen. Fast einen Kopf größer als die Mehrzahl der Madagassen um ihn herum, mit buschigem schwarzem Vollbart, großen dunklen Augen und einem goldenen Ring im Ohr wie ein später Pirat, war er leicht zu erkennen. Sobald er sie bemerkte, drängte er sich rücksichtslos durch das Gewühl, nahm sie bei den Schultern und küsste sie auf beide Wangen. Dann schloss er die Arme um sie und drückte sie so fest an sich, dass sein Bart ihre Wange kitzelte. Sie trug immer noch ihr Gepäck und konnte nur mit den Schultern wackeln, um ihn zu bewegen, sie loszulassen. «Gibt’s was Neues?», fragte sie sofort.
Er schüttelte den Kopf, sah sie an und rieb sich die Augen. «Ich kann’s nicht glauben», sagte er. «Meine kleine Becca.»
«Bitte, Pierre. Ich muss wissen, was vorgeht.»
«Nichts zu berichten.» Er zuckte mit den Schultern. «Ich habe mit der Polizei in Toliara gesprochen, keine Spur von ihnen.» Er nahm ihr das Gepäck
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