Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1
Freundschaft, Bruderschaft – äh, Geschwisterschaft? Und das Du.«
» Nenn mich Nival«, sagte Nival und beugte sich vor, bis ihre Nasenspitzen sich berührten.
Er neigte den Kopf, und ihre Lippen trafen aufeinander. Sein Atem roch nach Kräutern und Bitterwein. Einen Augenblick verhielten sie beide. Linn spürte seine weichen Lippen auf ihren, ein samtiges Gefühl, und die Wärme seines Gesichts so dicht vor ihrem. Im nächsten Moment war es auch schon vorbei.
Nival lächelte unsicher.
» Das war es?«, fragte Linn. Aus irgendeinem Grund war sie noch nicht zufrieden. » Die Verbrüderung? Das kam mir reichlich kurz vor, Herr Nival. Ich glaube, für ein Du muss es ein bisschen mehr sein.«
Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn noch einmal. Diesmal fühlte sie, wie alles in ihr weich und warm wurde. Sie öffnete den Mund und rückte näher an ihn heran. Es war falsch, und es gehörte sich nicht, das wusste sie selbst in ihrem benebelten Zustand, aber es fühlte sich überraschend richtig an. Das Feuer in ihr, dieser Hunger oder Durst oder was es auch war, dieser seltsame dunkle, unbezähmbare Schrecken brach mit Macht aus ihr heraus und malte wie mit feurigen Flammen ein Wort in ihren Geist: mehr.
Sie kannte sich selbst kaum noch, erkannte ihren eigenen Körper nicht mehr, sie hätte nicht sagen können, wonach ihn verlangte, aber ihr verräterischer Leib wusste, was er brauchte, was er unbedingt haben wollte.
Das hier. Mehr. Mehr. Genau das hier.
Atemlos schnappte sie nach Luft.
Mit einem Schreckenslaut fuhr Nival zurück und griff hastig nach dem Krug. » Das müsste … für ein Du reichen«, stammelte er, ohne sie anzusehen.
» Meint Ihr? Ich glaube, das war noch nicht … noch nicht ganz so, wie es sein sollte.« Das ist nicht genug. Ich bin nicht satt … Jetzt bin ich noch viel hungriger. Sie umfasste ihn und begann ihn zu küssen, so stürmisch, dass der Angriff ihn rücklings aufs Bett warf. Ihre Hände suchten nach seiner Haut, irgendwo unter den unzähligen Schichten von Stoff wurden sie fündig. Sie presste sich noch enger an ihn, ihren Mund fest an seinem, ihr Atem mischte sich, und jenseits des scharfen Geschmacks von Bitterwein war eine verlockende Süße.
Ich will mehr. Ein einziger Gedanke, nicht in Worte zu fassen: mehr. Egal, was es kostet. Egal, ob es richtig ist. Mehr, mehr, mehr. Ich will ihn haben, ich will, dass er mir gehört …
Yaro.
Plötzlich erinnerte Linn sich an ihren Verlobten. Es war, als würde er neben dem Bett stehen und zuschauen. Seine großen braunen Augen, sein Lächeln. Ich warte auf dich …
Yaro gehörte ihr. Nicht Nival.
Das ist mir egal!, schrie eine Stimme in ihr.
Erschreckt von der Macht ihres eigenen Begehrens, wandte sie das Gesicht mit fast übermenschlicher Anstrengung ab. Nival stieß ein wimmerndes Geräusch aus, wie ein Schluchzen, als sie sich aus seinen Armen löste.
» Das«, sagte sie außer Atem und schämte sich auf einmal schrecklich, weil sie so die Kontrolle verloren hatte, » müsste reichen für ein Du.«
» Ich glaube auch.« Nival setzte sich neben sie und glättete sein Haar, das sie ihm gehörig zerwühlt hatte.
Linn stöhnte leise. » Ich bin verlobt.«
» Ich weiß.« Er atmete tief durch. Mit dem zerzausten Haar und der zerknitterten Tunika sah er zum Anbeißen aus. Sie musste sich abwenden, um sich nicht erneut auf ihn zu stürzen.
» Yaro wartet auf mich.« Sie durfte Nival nicht anschauen. Dieser traurige Blick war unerträglich. Noch so ein Kuss und sie war nicht mehr zu retten.
Wem machst du hier eigentlich etwas vor? Du bist jetzt schon verloren. » Außerdem … muss ich mich auf die Übungen mit Bher konzentrieren. Ich darf mich nicht ablenken lassen.«
» Das verstehe ich«, sagte er heiser.
» Also trinken wir einfach den Becher aus, ja?«
» Ja«, flüsterte er.
Keiner von ihnen rührte sich. Linn ertappte sich dabei, dass sie ihre Hand auf seine gelegt hatte und mit der Fingerspitze die blauen Adern nachfuhr. Sie konnte einfach nicht aufhören, ihn anzufassen. Eben noch hatte sie gedacht, dass sie stark genug war, um aufzustehen und einfach zu gehen, aber jetzt schien es wieder ganz und gar unmöglich.
» Deine Hände gefallen mir.« Warum hatte sie das schon wieder gesagt? Es fehlte noch, dass sie ihm die ganze Wahrheit offenbarte. Zuerst habe ich mich in deine Hände verliebt. Aber im Grunde gefällt mir alles an dir ausgesprochen gut.
Nival zog seine Hand zurück und griff aufseufzend
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