Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1
Euch?
Oh ihr Götter!
Das Tal, wo der Drache sie beim letzten Mal abgesetzt hatte, war von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Die Gräser und Sträucher verschwanden unter all dem Weiß. Dort, eine dampfende Insel, lag wie ein glänzender Haufen aus Bernstein der Drache.
Er hob den Kopf und musterte sie mit diesen kreisenden Augen, deren Anblick sie jedes Mal schwindlig machte. Ohne nachzudenken, umklammerte sie das Schwert an ihrem Gürtel.
» Du kommst bewaffnet?«, fragte er, seine Stimme golden und rauchig und kalt, wie ein aus Widersprüchen geflochtenes Seil.
» Immerhin bringe ich Euch wertvollen Schmuck«, entgegnete sie. » Ich konnte nicht riskieren, auf dem Weg überfallen zu werden.«
Nat Kyah schnaubte drohend, und Linn legte die Waffe nieder, bevor sie näher vor ihn hintrat. Mit klammen Händen klopfte sie den Schnee fest und schüttete den Beutel aus.
» Hier«, sagte sie. » Das habe ich aus dem Schloss von Lanhannat, wie Ihr es verlangt habt. Seid Ihr zufrieden? Jetzt bin ich frei. Ich habe getan, was Ihr mir befohlen habt.«
Der Drache begutachtete jedes einzelne Stück. Sorgsam betrachtete er alles, und eine Rauchsäule stieg zischend aus seinen Nüstern.
» Es ist doch schön, nicht?«, fragte sie bang.
» Das ist alles?«, grollte er, und plötzlich warf er den Kopf hoch und stieß eine Flamme aus, die wie eine Fontäne in die Luft schoss. » Das ist alles? Das?«
Linn warf sich in den Schnee. Sie dachte an Rania, als sie ihren Kopf mit den Händen bedeckt hatte. Doch kein einziger Feuerstoß traf sie, und langsam fand sie ihren Mut wieder. Er wird mir nichts tun. Er darf mir nichts tun! Wir haben das Hohe Spiel gespielt, und er muss mich anhören. Sie richtete sich wieder auf und reckte das Kinn vor.
» Was ist denn los?«, rief sie. » Was habt Ihr? Ich habe Eure Befehle befolgt. Euch die grünen Steine gebracht. Wunderschöne Arbeiten sind darunter, filigran und unendlich kostbar. Es tut mir leid, wenn nichts davon an Eure Tatzen passt!«
» Grün«, sagte er. » Grün, ja! Habe ich dir nicht auch gesagt, was für ein Grün? Das sind Steine, Smaragde! Was soll ich damit, he?« Er wurde lauter, breitete auf einmal die Flügel aus und schwang sich in die Luft, aber nur, um gleich wieder vor Linn zu landen. » Grün!«, brüllte er. » Womit speist du mich hier ab?«
» Rote Steine sind beliebt im Schloss von Lanhannat«, sagte Linn. » Gold und noch mal Gold, außerdem Perlen und Rubine und Diamanten, groß wie Taubeneier. Es gibt nicht mehr grüne Steine als diese!«
» Das glaube ich nicht!«, brüllte er.
» Glaubt doch, was Ihr wollt!«, schrie sie zurück. » Ich habe Euch so viel gebracht, wie ich nur konnte. Jetzt bin ich frei.«
» Du bist nicht frei!« Der Drache, außer sich vor Zorn, erhob sich wieder flügelschlagend in die Luft. Sein Schwanz peitschte über den Schnee und wirbelte eine Wolke weißen Staubes auf. » Du gehörst mir!«
» Nicht mehr«, rief sie. » Ich habe die Aufgabe erfüllt!«
» Das hast du nicht! Ich wollte eine Drachenschuppe! Was bist du bloß für eine Zauberin, wenn du den Unterschied nicht erkennen kannst?«
» Ich bin überhaupt keine Zauberin, und das wisst Ihr!«
Er rang mit seiner Wut. » Ich entscheide, wann du frei bist, ich und niemand sonst!«
» Nein! Wir haben einen Vertrag! Ich habe getan, was Ihr verlangt habt, und jetzt …«
Seine klauenbewehrte Vordertatze schnellte vor und warf Linn rücklings in den Schnee. Nat Kyah riss das Maul auf und drohte ihr mit seinem bläulichen Feuer. In seinen kreisenden Augen brannte eine Sehnsucht, die ihr den Atem verschlug. » Ich will nach Hause«, keuchte er. » Ich will Steinhag. Ich will die goldenen Zeiten zurück, und ich muss den Stein haben, bevor die Alte merkt, dass ich Zauberinnen sammle!«
Zum ersten Mal bemerkte Linn Angst in seiner Stimme – nackte Furcht. Was konnte so schrecklich sein, dass sogar ein Drache sich davor fürchtete?
» Ich brauche den Stein!«, schrie er. Rauch stieg aus seinen Nüstern, als er sich mit aller Gewalt zusammennahm. » Ich gebe dir eine allerletzte Chance. Nimm das hier wieder mit. Bezahl damit, wen immer du willst, wenn du es alleine nicht schaffst. Aber bring mir den Stein.«
» Nein, ich …« Und wer – sie wagte nicht, diese Frage zu stellen, denn ihr eigenes Schicksal war ihr weitaus wichtiger als seins – ist » die Alte«?
» Nimm es mit!«, schrie er sie an.
Hastig band Linn das Tuch wieder zusammen, auf dem die
Weitere Kostenlose Bücher