Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
Seht her«, meinte sie erstaunt und hielt Linnia ein sich windendes Krabbelwesen vor die Nase.
Es war keine Made, sondern eindeutig eine Raupe. Daumendick und fingerlang, ein bizarres, schillerndes Geschöpf mit spitzen Hörnern, einem gezackten Kamm und einem in zwei spitzen Stacheln auslaufenden Hinterteil.
» Tijoanische Seidenraupen«, sagte Kesim müde. » Eine davon ist mindestens hundert Goldtaler wert.«
Ein paar Tierchen hatten sich zu Linns Füßen versammelt und begannen ihre Stiefel hinaufzuklettern. Die meisten anderen jedoch krochen erstaunlich schnell und zielstrebig auf den toten Drachen zu.
» Drachenraupen? Ferrans?« Ja, Linn erinnerte sich, schon einmal von ihnen gehört zu haben. Akir, ein Kaufmann aus Tijoa, hatte in Linns Dorf Drachenkrallen als Wettsteine verkauft – mit ihnen gewann man angeblich jede Wette –, doch wie sich im Nachhinein herausgestellt hatte, dienten sie nur dazu, die Drachen auf Linns Spur zu bringen. Der Tijoaner hatte von den Raupen geschwärmt, die er zu den Wundern seines Heimatlandes zählte, da sie so feine Seide produzierten, wie es sie nirgends sonst gab, genannt Drachenseide. Da war es eigentlich keine Überraschung, dass Kesim, der sich für gute Stoffe begeisterte, sich nun auch für diese Raupen interessierte.
Besonders sinnvoll schien Linn das jedoch nicht. » Was wollt Ihr denn mit Ferrans? Ich dachte, die gibt es nur in Tijoa? Gehen sie nicht ein, wenn man sie woanders hinbringt?«
» Sie leben an den Hängen des Berat-Gebirges«, wusste Gunya, » und selbst dort sind sie selten. In letzter Zeit kommt immer weniger Seide aus Tijoa.« Sie warf Linn einen merkwürdigen Blick zu. » Ich schätze, Ihr habt keine Ahnung, wie viel das Tuch wert ist, das der Prinz Euch geschenkt hat.«
» Meine Nichte hat letztes Jahr im Blütenmond geheiratet«, sagte Dorwit. » Es war kein Fetzen Seide zu bekommen, nicht einmal für den Hochzeitsgürtel. – Was haben sie vor?«, Mit sichtlichem Abscheu beobachtete er den Strom der Raupen.
» Keine Ahnung«, sagte Kesim ratlos. » Das Drachenblut lockt sie an, aber … ich hätte nicht gedacht … Normalerweise fressen sie Blätter.«
» Das ist ja widerlich«, meinte Gunya streng. » Wir sollten zusehen, dass wir hier fortkommen.«
Linn war im Moment so ziemlich egal, was die Ferrans anstellten, solange sie nichts mit ihnen zu tun hatte. Sie streifte die Tiere von ihren Stiefeln ab. » Ich geh mich erst einmal waschen. Außerdem habe ich einen Mordshunger. Kann man diese Dinger braten?«
Kesim sah aus, als wollte er auf sie losgehen, doch dann lachte er. » Ein Scherz«, murmelte er. » Beruhige dich, nur ein Scherz.«
Kopfschüttelnd machte Linn sich davon. Ihr lieber, singender Kaufmann war völlig verrückt geworden. Seidenraupen, die nur in Tijoa leben konnten, für hundert Goldtaler das Stück – kein gewiefter Geschäftsmann ließ sich auf so einen Handel ein, es sei denn er erwartete, damit Tausende von Talern zu verdienen.
Vielleicht, dachte sie, während sie in den kalten Bach hineinwatete, weiß er ja mehr als ich.
Sie hatten Okanion und die Pferde geholt, während der Händler damit beschäftigt war, seine kostbaren kleinen Schätzchen einzusammeln. Nachdem sie sich am Feuer gewärmt und getrocknet hatten, führte Kesim die Drachenjäger weiter durch den Wald. Nun würde sich zeigen, ob er tatsächlich wusste, wo sich das nächste Flüchtlingslager befand.
» Noch weiter östlich, Richtung Samaja«, erklärte er mit müder Stimme. » Wenn wir nach Schenn nicht durchkommen, müssen wir es dort versuchen, und das gilt für alle, nicht wahr?«
In seinen Augen lag ein Funkeln, das Linn irritierte. Sie kannte ihn besser, als er glaubte – bei diesem Blick witterte er Profit, da war sie sich sicher. Deshalb sorgte sie dafür, dass die anderen vorausgingen, und wartete auf ihn mit seinem Handkarren.
» Was ist los, Herr Kesim?«, fragte sie ihn. » Erwartet Ihr dort einen Mittelsmann? Jemanden, dem Ihr die Raupen verkaufen könnt? Bringen wir Euch zu einer wichtigen Verabredung, ohne es zu wissen?«
» Ich werde sie nicht verkaufen. Ganz bestimmt nicht. Nach allem, was ich durchgemacht habe, um sie zu bekommen … Ihr habt ja keine Ahnung.«
» Was habt Ihr denn durchgemacht?«
» Wie viele Leute ich bestechen musste … Es sind nicht nur die Ferrans, versteht Ihr, es ist das geheime Wissen. Wie man sie ernährt, darauf kommt es an. Blätter, oh ja. Ganz bestimmte Blätter? Auch das. Aber da ist noch
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