Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
mehr. Ohne das Wissen der Eingeweihten sind sie nutzlos. Wenn Ihr sie stehlen würdet – sie würden Euch eingehen. Keine Seide, kein einziger Kokon …« Er stockte, sein Gesicht verdüsterte sich. » Sie verfolgen uns«, flüsterte er. » Erst die Soldaten. Ich weiß nicht, wie viele von ihnen Scharech-Par hinter uns hergehetzt hat. Ich war es nicht alleine, wisst Ihr, wir waren mehrere Händler, die sich zusammengeschlossen hatten. Wir wollten eine neue Zucht aufmachen, yanische Seide. Die Auflagen aus Tijoa waren uns zu hoch, wir dachten, wenn wir eigene Raupen besitzen … Doch dann wurden die Bauern ermordet, die uns einen Teil ihrer Zucht verkauft hatten … und wir sind gerannt. Wir dachten, wenn wir erst hinter der Grenze sind, sind wir in Sicherheit.« Er lachte freudlos. » Wir hatten ja keine Ahnung. König Scharech-Par hat Yan den Krieg erklärt und konnte uns deshalb seine Soldaten über die Grenze nachjagen. Die Drachen fliegen über uns. Sie suchen uns, Tag und Nacht … Meine Haare sind grau geworden. Wir haben uns getrennt, um unsere Chancen zu erhöhen, aber manchmal denke ich, ich bin der Einzige, der noch übrig ist.«
» Moment mal.« Linn blieb stehen und packte ihn am Arm. » Ihr wollt damit sagen, das ist der Auslöser für diesen Krieg? Die Ferrans? Das kann doch wohl nicht wahr sein!«
» Die Drachen jagen die Flüchtlinge«, murmelte Kesim. » Sie suchen nach uns und treiben uns von der Grenze weg, damit wir uns nicht nach Schenn retten – schon lange, bevor Eure Soldaten uns daran gehindert haben, dorthin zu entkommen. Aber warum sollte ich die Deckung des Waldes verlassen? Sagt mir das. Nur, um noch viel schutzloser ihrem Feuer ausgeliefert zu sein? Nein, danke.«
Linn konnte es immer noch nicht fassen. » Ich glaube das nicht. Es geht um Seide, um eine gestohlene Zucht? Dafür machen die Tijoaner ganz Yan nieder? Bei Arajas, warum gebt Ihr ihnen die Raupen nicht einfach zurück!«
» Nicht gestohlen«, verwahrte Kesim sich. » Gekauft.«
» Offenbar hatten diese Bauern nicht das Recht dazu, Euch Ferrans zu verkaufen. Tijoa lebt vom Handel exklusiver Güter … Herr Kesim, ich begreife Euch nicht. Wie konntet Ihr das nur tun?«
Nein, er war nicht verrückt. Nicht verrückter als jeder andere Kaufmann, der alles für ein riskantes Geschäft dahingab. Aber dass er damit einen Krieg ausgelöst hatte … oder redete er bloß so großspurig daher? Möglicherweise hatte beides auch nichts miteinander zu tun. Die Verknappung der Seide … und dass Tijoa sich seines Nachbarn bemächtigte, geschützt von einem neuen Vertrag mit Schenn.
» Wenn Ihr die Raupen zurückgebt, wird Scharech-Par dann seine Truppen abziehen? Die Drachen zurückpfeifen?«
» Niemand wird erfahren, wo ich meine Zucht aufbaue«, flüsterte Kesim. » Ich werde mich zurückziehen und vorgeben, ein Waldbauer zu sein … Wachen aufstellen … nein, lieber keine Wachen, jeder Mensch, der etwas weiß, ist einer zu viel.« Ein misstrauisches Funkeln trat in seine Augen.
Linn seufzte. » Ich begreife Euch immer noch nicht, Herr Kesim, aber nein, von mir habt Ihr nichts zu befürchten. Ich habe Euch gerade eben vor einem Drachen gerettet, zählt das nichts?«
Er entspannte sich ein wenig. Linn lenkte ihre Aufmerksamkeit nach vorne und stellte fest, dass ihre Mitstreiter recht laut über irgendetwas diskutierten.
» Es ist ja wohl klar, dass das nicht gilt«, sagte Gunya streng. » Erstens war ich beteiligt …«
» Ihr habt überhaupt nichts gemacht«, widersprach Dorwit. » Der Drache hat Euch nicht einmal beachtet. Das war einzig und allein Linnias Leistung, und er zählt natürlich, warum auch nicht?«
» Weil wir in Yan sind, deshalb. Wir wurden ausgesandt, um für den König und Schenn zu kämpfen.«
Linn ging ein paar Schritte schneller und holte auf.
» Tja«, sagte Okanion unbehaglich. » Um Eurer zehn Drachen willen sollten wir über die Grenze zurück.«
Nach Norden. Geh nicht zurück, denn er wartet. Du musst nach Norden, noch weiter nach Norden.
» Nein!« Linns Schrei war zu laut, ihre Stimme klang panisch. » Nein«, wiederholte sie, zwang sich zur Ruhe. » Die Drachen verfolgen Kesim. Ganz gleich, ob er die Raupen unrechtmäßig erworben hat oder nicht, niemand verdient es, im Feuer eines Untiers zu sterben. Wir bleiben hier. Wenn sich vor uns wirklich ein größeres Lager befindet, dann sind die Drachen nicht fern.«
» Ritterin Gunya hat recht«, meinte Okanion. » Ich bin mir nicht sicher, ob
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