Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
diesem Jungen, der sich durch die Tunnel tastete. Ich komme zurück und rette dich, Mutter …
» Wir verlieren ihn«, sagte Mora, und etwas in Nival wunderte sich über die Untröstlichkeit in ihrer Stimme.
» Nein«, widersprach Rinek. » Na los, Nival, alter Kumpel. Streng dich gefälligst ein bisschen an. Du bist kein hasserfülltes Ungeheuer. Du bist mein Freund, also, was ist? Finde einen anderen tiefsten Wunsch.«
Linnias Gesicht schimmerte auf der Oberfläche des schwarzen Teichs – aber auch das war ein verbotener Wunsch. Warum hatte er keinen anderen als diesen? Yaros Mädchen. Wenn du ein guter Freund bist, freust du dich für mich …
» Sag was, Yaro«, forderte Rinek.
» Er kann euch nicht hören«, sagte Mora leise. » Es ist zu spät. Lasst ihn los, Herr Rinek, er atmet nicht mehr.«
Linnias Gesicht auf der spiegelnden Oberfläche. Wenn ich mir das nur wünschen dürfte!
Wenn du ein Freund bist …
Es ging nicht, auf keinen Fall konnte er sich selbst unter diesen Bann begeben, Linnia um jeden Preis zu erringen. Denn dann würde er Yaro töten, gleich jetzt. Yaro, dessen Aufmerksamkeit nachgelassen hatte und der Mora stützte. Durch die Wimpern beobachtete Nival, wie Yaro den Arm um die Zauberin legte, wie er nicht mehr auf den Gefesselten achtete. Mitfühlend und behutsam, und dabei hatte er die starken Hände eines Knechtes …
Ich wünsche mir, dass ich die Freundschaft dieser Männer verdiene. Ich wünsche mir, dass ich so wäre wie sie …
Yaro legte seine Hand über Moras Hand, hielt sie fest, während sie vor Erschöpfung schwankte.
» Hörst du mich, Nival?«, sagte er leise. » Gib nicht auf. Wir brauchen dich hier.«
Wenn er ihren Erwartungen nur gerecht werden könnte … Das war Linnias Familie. Alle so wie sie: tapfer und aufrecht. Und jeder Einzelne von ihnen war bereit, auf Rache zu verzichten.
Warum habe ich Pivellius nicht schon längst getötet? Weil Mora es nicht wollte? Warum verflog mein Hass, als ich bei ihm lebte und einen alten, verbitterten Mann vorfand statt der Bestie, die zu töten ich ausgezogen war?
Ich beschloss abzuwarten und ihm eine Chance zu geben, ich und niemand sonst traf diese Entscheidung für mich.
Zu warten. Zu sehen, ob es nicht einen anderen Weg gab, die Geschehnisse im Verlies zu sühnen. Eine Zukunft für die Zauberer …
» Nival?«, fragte Yaro.
Als Mora sich zurücksinken ließ, fing er sie auf und legte sie auf ihre Bettstatt.
» Wie geht es ihr?«, fragte Rinek besorgt.
» Sie ist völlig erschöpft. In diesem Zustand kann sie nichts mehr tun, glaube ich.«
» Es sah nicht allzu schwer aus, ihm einen Stein an die Stirn zu halten«, meinte Linnias Bruder und seufzte. » Nicht so schwer, wie so einen Kerl festzuhalten. Bei Arajas, er fühlt sich an wie ein Fisch, der einem durch die Finger schlüpfen will. Er gibt einfach nicht auf. Wo sitzt bei diesem Mann der Verstand? Er könnte endlich einsehen, dass es keinen Zweck hat, Widerstand zu leisten, aber er begreift es einfach nicht.« Rinek ließ seinen Gefangenen auf den Boden gleiten, und Nival spürte das raue, kühle Holz der Dielenbretter unter seiner Wange.
Füße gerieten in sein Blickfeld. » Bei Belim«, rief Agga. » Ist er tot? Alle beide?«
» Mora lebt, sie ist bloß zu Tode erschöpft«, sagte Yaro vom Bett her. » Ich bin mir nicht sicher, ob sie beenden konnte, was immer sie da eigentlich getan hat.«
» Und er?« Die Schuhe kamen näher. Sie waren zerkratzt und staubig, und Nival dachte, ob er ihr nicht neue Stiefel kaufen sollte. Sie bekam zu wenig Lohn, auch wenn sie sich nie beklagte. Aber dazu hätte er wieder stehlen müssen, und er hatte es satt, den König zu hintergehen.
» Er lebt«, sagte Rinek, der Nival einer kurzen Untersuchung unterzogen hatte. » Erstaunlich.« Er lehnte sich aufseufzend zurück und streckte das Holzbein aus, das über den Boden schabte. » Ich sage doch, der gibt niemals auf. Er ist hartnäckiger und verbissener als … keine Ahnung, womit ich ihn vergleichen soll.«
» Er liegt da wie tot«, jammerte Agga. » Dann war also alles umsonst? Was tun wir denn jetzt mit ihm?«
Nival versuchte, die Hände zu bewegen, was ihm zu seiner eigenen Überraschung gelang. Er setzte sich auf und berührte seine Stirn, die sich heiß anfühlte, als hätte er Fieber. Die anderen im Raum fuhren zurück. Er spürte ihre Angst, ihr Misstrauen, und das tat umso mehr weh, da er jetzt wusste, wie sehr er sich nach ihrer Freundschaft, ihrer Anerkennung
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