Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
wachsam. Schon wieder tat er nichts anderes, als sie abzuschätzen und sich zu überlegen, inwiefern sie ihm von Nutzen sein konnte.
» Würdest du es tun?«, fragte er. » Trotzdem?«
» Was?«, fragte sie tonlos. Nun wusste Linn überhaupt nicht mehr, was sie empfand. Immer noch Mitleid? Mit Mora, dieser intriganten Zauberin?
» Wenn wir sie retten wollen, brauchen wir etwas von einem Drachen.«
» Geh doch ins Schloss und kratz eine Schuppe von der Wand!«, entgegnete sie heftig.
» Das habe ich schon getan«, antwortete er ruhig. » Dummerweise ist es aufgefallen, und die Wachen sehen jetzt genau hin, ob jemand das kostbare Mosaik des Schlosses beschädigt. Aber du hast mir nicht zugehört. Ich brauche keine Schuppen, ich will Hörner und Zähne oder gar ein Stück Zunge.«
Linn wunderte sich darüber, dass sie Nival einmal so schrecklich geliebt hatte, dass sie geglaubt hatte, das Herz müsste ihr zerspringen.
» Das fragst du mich – jetzt noch? Erst wolltest du nichts mehr mit mir zu tun haben, weil ich Arian gerettet habe, und jetzt fängst du schon wieder damit an, was ich alles für dich erledigen soll – für euch beide, sollte ich wohl besser sagen? Nein, Nival. Ich werde überhaupt nichts mehr für euch machen. Im Moment weiß ich gar nicht, warum ich überhaupt hergekommen bin.«
» Vielleicht, um etwas wiedergutzumachen? Immerhin hast du Chamija in die Stadt gebracht.«
» Lass Chamija aus dem Spiel!«, rief Linn. » Oh ihr Götter, hör doch endlich auf! Warum gehst du nicht und suchst die Kadaver, die von der Drachengarde liegen gelassen wurden? Du könntest sie ausweiden und mitnehmen, so viel du tragen kannst. Ist das nicht eine viel bessere Idee?«
Er runzelte die Stirn. » Hast du das nie mitbekommen? Jeder Drache gehört dem Dorf, das er heimgesucht hat, und die Einwohner bewachen ihn, bis er weggeschafft wird. Die Leute verkaufen die toten Drachen an reisende Händler, die sie auf große Ochsenkarren verladen.«
» Nein, das wusste ich nicht.« Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, was mit den Überresten der Drachen geschah. » Warum sollte jemand das Zeug kaufen?«
» Sie gehen nach Tijoa«, sagte Nival. » Wo Zauberei noch gestattet ist. Dort müsste man als Magier leben! Hier in Schenn ist es nicht nur zu gefährlich, sondern auch kaum möglich, wenn einem die Zutaten fehlen.«
Er starrte sie so flehend an, dass sie jeden Moment damit rechnete, er würde sie anbetteln, nicht nach Tijoa zu verschwinden. Doch er sagte bloß: » Bitte geh nicht zurück ins Schloss, Linnia. Wir könnten … bei Barradas, verstehst du nicht? Mit einem Drachen … wenn Mora wieder gesund ist … sie kann dir so viel beibringen. Gemeinsam könntet ihr gegen Chamija antreten und ihr einen Strich durch die Rechnung machen. Ihr beide könntet Schenn und den König retten und …«
Linn unterbrach ihn, denn sie konnte sich das nicht länger anhören. » Den König retten?«, fragte sie dumpf. » Und das von einem, der den Prinzen sterben lassen wollte? Du bist der Feind des Königtums, nicht ich. Du bist krank, Nival – krank vor Eifersucht und irre von diesen ganzen Gedanken, an denen du dich festbeißt. Es reicht.«
Sie war schon an der Tür, als er sie am Arm festhielt. » Geh nicht, bitte! Geh nicht zurück zu ihr!«
» Fass mich nicht an.« Linn schüttelte seine Hand ab. » Nie wieder. Ich weiß nicht, wer du bist. Ich weiß nicht, was du willst, und es interessiert mich auch nicht. Du hast verlangt, dass ich mich von dir fernhalte? Gut, das kannst du haben.«
Noch einmal streckte er die Hand nach ihr aus. Die Worte lagen ihr auf der Zunge, als würden sie dort wohnen und auf ihre Stunde warten. Linn reagierte instinktiv – als folgten ihre Handlungen einem Pfad, der zu einer immer breiteren Straße wurde.
» Pai Ri Ko Res!«, zischte sie.
Der Sturm ihres Zorns wallte auf, Drachenstaub, Staub und Holzsplitter, Tücher und Decken. Alles wirbelte durcheinander, sie konnte Nival kaum noch erkennen, wie in einem magischen Schneetreiben flogen Trümmer und Einrichtungsgegenstände um ihn herum. Dann packte der Sturm auch ihn, und sie hörte ihn unterdrückt schreien, als er in die Höhe gerissen wurde und die Wucht des Windes ihn gegen die Wand schleuderte. Sie sah nur noch, dass er auf den Boden prallte, während es Möbelteile, Staubflocken und Geschirr um ihn regnete, wie das Entsetzen sich in seinen Augen spiegelte, wie er sich mit dem Handrücken über die blutige Lippe fuhr –
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