Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
Aber wie konnte dann ein Heiler arbeiten, wenn ihn danach alle liebten, die er pflegte? Nicht mit Zauberei jedenfalls. Das war die Antwort auf viele ihrer Fragen: Zauberei heilt nicht, sondern schafft nur Verwirrung.
Arian starrte sie an, seine dunklen Augen schienen zu brennen wie Drachenaugen.
» Es tut mir leid«, flüsterte sie. » Es war nie meine Absicht, Euch wehzutun.«
Er kniete sich vor sie auf den harten Boden. » Du hast nie den Prinzen in mir gesehen«, sagte er. » Nur den Mann. Den selbstgerechten und hin und wieder sogar ungerechten Mann. Wie muss ich werden, damit du mich lieben kannst? Was muss ich sein? Ich werde versuchen, mich zu bessern, ich werde alles tun, was du willst. Nur schau mich nicht immer so an, so streng und verächtlich. Ich gebe zu, dass ich der unwürdigste von Brahans Nachkommen bin – aber vielleicht kann aus mir ja doch noch der Held werden, den du dir wünschst?«
» Ich brauche keinen Helden«, sagte Linn. » Nein, Hoheit, Ihr irrt Euch. Ich habe stets den Sohn des Königs in Euch gesehen. Ich habe dem Prinzen das Leben gerettet, nicht irgendeinem Mann. Dem Königreich habe ich einen Dienst erwiesen, nicht Euch. Wenn Ihr nur ein Mann wärt, ein Ritter, der es wagt, ungebeten ins Zimmer zweier Mädchen zu poltern, hätte ich Euch längst das Knie in die Magengrube gerammt und Euch gezeigt, wo die Tür ist.«
Seltsam, wie schwer es ihr fiel, ihm so schroff zu antworten. Aber es musste sein, ein für alle Mal sollte ihn das von seiner unangebrachten Schwärmerei heilen.
» Gut«, sagte Arian und stand auf. » Ihr verlangt also Anstand, Fräulein Linnia, Ihr verlangt besseres Benehmen … das könnt Ihr haben. Ich gehe natürlich, wenn Ihr das wünscht.«
Er war schon an der Tür, als er sich noch einmal umdrehte. » Morgen wird die Garde für Euch um die Stadt reiten. Mein Herz wird brennen vor Eifersucht, wenn die Menge Euch zujubelt. Aber gleichzeitig wird es flammen vor Stolz, weil Ihr eine Jägerin seid, wie wir noch nie eine in unserer Mitte hatten. Weil die alten Geschichten von Brahan und Laran erneut wahr werden, in Euch … und weil Ihr, ob Ihr es wollt oder nicht, an meiner Seite reiten werdet. Weil ich Euch ansehen werde, immerzu, ohne dass Ihr Euch verstecken könnt – oder werdet Ihr wie sonst Eure Maske tragen?«
» Ich habe sie verloren«, sagte Linn und schämte sich dafür, wie patzig sie klang. » Leider bin ich nicht sehr geschickt darin, mir eine neue zu machen.«
Er nickte und zog die Tür sacht hinter sich zu.
Wenig später stürmte Chamija herein, drehte sich lachend, dass ihr Rock wehte, und warf die Arme in die Höhe.
» Oh, ein Prinz! Ein echter Königssohn! Hättest du je gedacht, dass du so weit kommst, liebe Linnia?«
» Zwischen uns ist nichts«, wehrte Linn verlegen ab.
» Komisch, das sagst du von allen Männern, die in deiner Nähe sind. Nur dein Verlobter bedeutet dir etwas? Nur dieser ferne Mann, während alle, die hier sind, auf Granit beißen?« Chamija zögerte. » Dann macht es dir vielleicht auch nichts aus …«
» Was?« Linn schrak hoch, denn die Prinzessin blickte ungewohnt ernst.
» Nival ist tot«, sagte sie. » So hieß er doch, nicht wahr? Dein Schreiber. Ich habe es nur erfahren, weil ich ab und zu mit diesem anderen Gehilfen zusammenarbeite …«
» Was ist passiert?«, rief Linn. » Er kann nicht tot sein!«
» Doch«, widersprach Chamija. » Es gab einen Brand im Alten Viertel. Man hat nur noch zwei Leichen gefunden, eine große und eine kleine … Linn, warte!«
» Nein!«
Linn war schon zur Tür hinaus. Die Augen blind vor Tränen rannte sie den Gang hinunter. Es konnte nicht wahr sein. Nival tot? Nival, ihr Nival? Während sie mit den Drachen gekämpft hatte, fern der Stadt, war er gestorben – einfach so, ohne ihr die Chance zu geben, sich mit ihm zu versöhnen? Und Mora? Mora etwa auch?
Sie stieß gegen eine Gestalt, die mit gesenktem Kopf vor ihr herging und sofort zugriff, als das Mädchen weitertaumeln wollte.
» Linnia! Kommst du mir doch nach?«
» Er ist tot!«, heulte sie. Diesmal wehrte sie sich nicht gegen die Umarmung. Arian zog sie an sich, und Linn klammerte sich an ihn, den einzigen Halt in einem Meer von Tränen.
» Wer ist tot? Nun wein doch nicht so, meine Liebe.« Er küsste sie aufs Haar, auf die Stirn, auf die Lider. Sie bemerkte weder die Mägde noch die Wächter, die vorbeischlichen und fortzusehen versuchten. Der Prinz küsste ihr die Tränen von den Wangen.
Er ist tot, und
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