Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
Händen nach der Dornlanze. Der Dieb hielt die Waffe fest, aber mit einer raschen Drehung zog sie ihm einen der Haken durchs Gesicht, und mit einem Aufschrei ließ er los. Linn wirbelte herum und fing mit der Lanze den Schlag des goldenen Schwertes auf. Sie hob die Arme, damit auch ihr Gegner das Schwert höher halten musste, und schlug ihm rechts und links die beiden Enden der Lanze um die Ohren. Der Kerl ließ das Schwert fallen und ging stöhnend in die Knie. Linn packte ihre beiden Waffen und sprang in den Bach, dem Dieb ihrer Kette hinterher.
Der Dörfler rannte durch das seichte Wasser flussabwärts, statt sein Heil im Wald zu suchen. Er war schnell und hatte einen großen Vorsprung, obendrein hemmte der steinige Grund ihren Lauf, als sie ihm nachstolperte. » Gib sie mir zurück!«
Er wandte sich um und lachte sie an. Im Flussbett kam ihnen das halbe Dorf entgegen, mindestens fünfzig Männer mit Stecken, Mistgabeln und Äxten; einer hatte sogar ein Schwert. Sie boten eine ganze Armee auf, um Linn zu töten.
Fast hatte der Dieb seine Freunde erreicht; Linn erkannte, dass sie zu spät kommen würde. Entweder musste sie gegen alle diese Leute kämpfen oder sie würde ihnen einen Teil des Schatzes im Austausch gegen die Kette anbieten müssen.
Der Mann schwang triumphierend seine Beute.
Da fiel etwas Riesiges, Rotes aus dem Himmel, wie ein Stein, der den Göttern aus den Händen geglitten war. Plötzlich war es zwischen ihnen, breitete die Flügel aus und peitschte die Bäume zu beiden Seiten des Ufers. Einen Augenblick lang sah Linn nur den Drachen, der auf den jungen Mann herunterfuhr, und hörte einen Schrei aus vielen Kehlen aufbranden, den das Geheul des Opfers noch übertönte – ein schrilles Kreischen in Todesangst, als das rote Ungeheuer den Mann mit sich in die Höhe riss.
Linn hörte sich selbst schreien und stürzte nach vorne; das Drachentöterschwert erhoben warf sie sich ihrem Feind entgegen, doch der Rote erhob sich bereits wieder in die Luft. Den Dieb immer noch in den Krallen flog er auf sie zu.
» Komm her!«, brüllte sie.
Er war riesig, im Anflug kam er ihr sogar größer vor als Nat Kyah, ein Albtraum aus Feuer. In Gah Rans roten Schuppen brach sich das Sonnenlicht; er war so hell, dass er sie blendete, als er direkt auf sie zusteuerte. Linn warf sich ins flache Wasser, während er über sie hinwegbrauste, sein peitschender Schwanz wirbelte den Bach auf und zog eine Fontäne aus spritzendem Wasser und herumwirbelnden Steinen hinter sich her. Prustend kam das Mädchen wieder hoch. Die Dornlanze hatte sie verloren, doch das Schwert umklammerte sie noch immer. Als sie damit nach dem Drachen schlagen wollte, erhob er sich schon wieder in die Luft, machte einen Salto über den Wipfeln und stieß erneut auf sie herab. Es ging so schnell, dass sie nur breitbeinig nach sicherem Stand suchte und das Schwert fester umklammerte.
Linn hatte die magische Kette nicht mehr – wenn er jetzt Feuer nach ihr spie, war sie verloren. Sie duckte sich zwar, wich aber keinen Zoll zur Seite, als er heranschoss. Etwas Dunkles platschte vor ihr ins Wasser. Der Schwanz des Drachen streifte sie, als er in einer steilen Kurve wieder nach oben flog. Eine Fontäne heißen Blutes spritzte auf sie, und ihr war, als würde es ihr die Haut verbrennen. Sie heulte auf, warf sich ins Wasser und tauchte das Gesicht in die kühlen Wellen. Etwas stieß gegen ihren Arm, und sie schrie auf, als sie den zerschmetterten Dieb erkannte. Um seinen Hals baumelte immer noch die Kette mit dem Anhänger – ihn hatte sie jedenfalls nicht vor dem Zorn des Drachen geschützt. Linn zog sie ihm über den Kopf und versuchte nicht darauf zu achten, dass dem Mann der halbe Schädel weggerissen worden war. Sie wusch das Silber im Bach und legte sich die Kette wieder um.
Dann erst schaute sie sich um.
Die Dorfbewohner hatten sich aus dem Staub gemacht. Nur die beiden Männer, mit denen sie als Erstes gekämpft hatte, waren noch da. Der Holzfäller kniete am Ufer, hielt sich die blutende Wange und starrte ihr mit vor Entsetzen geweiteten Augen entgegen. Der andere lag auf dem Rücken, Blut lief ihm aus den Ohren. Linn seufzte. Sie packte ihre Sachen zusammen und stellte fest, dass Tani sich losgerissen hatte und verschwunden war. Zum Glück war er im Dickicht des dunklen, alten Waldes nicht weit gekommen. Linn folgte der Spur aus zertrampeltem Gestrüpp und fand den großen braunen Wallach zitternd und mit rollenden Augen im Gebüsch.
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