Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
hinten schleuderte.
Der Tijoaner schien nichts davon wahrzunehmen. Er streckte die Hand nach Rinek aus.
Nach der Kette.
Linns Kette. Mit einem grünen Stein statt des großen roten. Ein ungewöhnlicher Stein, der vor Rineks Augen flirrte, der glänzte, der einen Duft mit sich trug nach Meer und Himmel und Gestein, nach Drache, aber nicht nach Tier – nach allem, was an Drachen magisch war, eine Macht, die jener der Götter ähnelte.
Er schloss die Finger um die grüne Schuppe. Sie schmiegte sich an seine Haut, nein, sie war bereit, seine Hand zu zerfetzen, alles zu sprengen, die Wirklichkeit und den Tag und den Schrecken.
Es gab keine Wahl. Keinen Moment, in dem er sich entscheiden musste. Die Entscheidung war bereits getroffen worden, in jener Höhle, als er ein Spiel gespielt und dabei gemogelt hatte, in dem Glauben, es sei nichts als ein Spiel. Er hatte gewonnen, aber nicht einmal das zählte. Er war verantwortlich, er war verpflichtet, dieses Leben zu retten.
» Es tut mir leid«, flüsterte er mit einem letzten Blick auf Mora, und in diesem Moment, da er die Macht in den Händen hielt, wusste er, was möglich gewesen wäre.
Mora starb, aber er hielt sie nicht auf.
Rinek berührte den Kopf des Drachen. Seines Drachen, der immerzu Schmerzen litt und dennoch nie sterben konnte, dieses Drachen, der Flügel brauchte und neue Schuppen. Heilung.
» Wintika.«
Als der silberne Drache aufsprang, vollständig mit Schuppen bedeckt, und die Flügel entfaltete, schrie Scharech-Par auf. Linn hatte noch nie einen Schrei wie diesen gehört, so fassungslos, so voller Entsetzen.
» Er hat sie benutzt!«, brüllte er. » Bei SaiHara, er hat die Schuppe benutzt!«
Alle Drachen im Hof hielten inne. Sie schienen zu horchen, oder vielleicht bemerkten sie auch nur, dass die grüne Schuppe ihren Glanz verloren hatte. Tausend Kehlen stimmten in den Schrei ein.
» Tötet ihn!«, kreischte Scharech-Par. » Zerfetzt ihn!« Er hob einen Stein auf, um ihn auf Rineks Schädel zu zerschmettern.
Linn rappelte sich hoch. Alle Knochen taten ihr weh, aber sie achtete nicht auf den Schmerz. Sie stürzte sich auf Wea, entwand ihr den Dolch, flog fast die wenigen Schritte, die sie von Scharech-Par trennten, und rammte ihm die Klinge in den Rücken.
Er fiel nach vorne. Die Drachen kreischten so laut, dass Linn glaubte, sie würde taub werden. Dann stürzten sich sämtliche Ungeheuer vom Himmel herunter.
Der Silberne zögerte keinen Moment. Er packte Rinek, flog wie ein Pfeil flach über den Boden, huschte mit angelegten Flügeln zwischen den Götterstatuen hindurch und war längst über der Mauer, als der Schwarm in den Hof einfiel. Ein Teil der Drachen folgte ihnen, die übrigen zögerten. Sie flatterten über Scharech-Pars Leiche und griffen nicht an. Vielleicht fürchteten sie, ihren Herrn zu verbrennen. Ihr Entsetzen mischte sich mit einer Ehrfurcht, die nahezu greifbar war.
Einen Augenblick lang stand Wea reglos da, ungläubig, während die Drachen drohend über ihnen kreisten.
» Er ist tot. Du hast ihn getötet!«
Linn wich einen Schritt zurück.
» Du!«, schrie Wea. » Das wirst du büßen!«
Die junge Frau machte einen Schritt auf sie zu, mit ausgestreckten Händen, und Linn zweifelte nicht daran, dass ihre ehemalige Freundin sich mit einem tödlichen Zauber an ihr rächen wollte. Obwohl der Drachenjägerin noch alle Knochen von dem Sturz schmerzten, drehte sie sich um und rannte los.
» Lasst sie nicht entkommen!«, schrie Wea. » Sie war es! Sie hat ihn umgebracht!«
Hinter ihr rauschten unzählige Flügel, und dann stürzte etwas Rotes vom Himmel, erfasste sie mitten im Lauf und flog mit ihr davon.
Die Drachen waren direkt hinter ihnen. Der ganze Himmel war erfüllt von den Ungeheuern, wie ein Schwarm zorniger Hornissen dröhnte das Rauschen ihrer Flügel, das Summen ihrer Wut.
Rinek nahm Zuflucht zu dem einzigen Zauber, der ihm in dieser Bedrängnis einfiel. Er fischte eine unverbrauchte Schuppe aus seiner Tasche – ein Kunststück, denn Sion hielt ihn so fest, dass er sich kaum rühren konnte – und schleuderte sie mit aller Kraft nach unten auf den Hügel.
» Diarai Erim!«
Der Hang tat sich direkt vor ihnen auf. Die Öffnung war zu klein für einen Drachen, und einen Moment rechnete er damit, dass sie am steinigen Hang zerschellen würden. Sion flog trotzdem irgendwie in das Loch – oder war er verschwunden? Nein, Rinek spürte immer noch seine Krallen im Nacken. Das Loch schloss sich, und schlagartig war
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