Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Tieren in Kontakt zu treten. Eines Tages nun, ich war damals acht, hielt sich Soana in unserem Lager auf. Vielleicht weißt du es gar nicht, aber Soana ist Mitglied im Rat der Magier, der an der Spitze des Widerstands gegen den Tyrannen steht. Es sind jetzt schon fast vierzig Jahre, dass der Tyrann Krieg führt gegen das Land des Meeres, das des Wassers und das der Sonne ...« Nihal machte ein empörtes Gesicht. »Natürlich weiß ich das, was denkst du denn von mir?«
»Du bist aber wirklich furchtbar empfindlich«, neckte Sennar sie. »Kurzum, Soana wurde auf mich aufmerksam und wollte mit meinen Eltern sprechen. Sie erklärte ihnen, in mir erkenne sie enorme magische Kräfte, und wenn sie mich mit ihr ziehen ließen, würde sie mich zu einem großen Zauberer machen. Für meine Eltern war es eine schwere Entscheidung, doch schließlich stimmten sie zu, und ich folgte der Zauberin. Außerdem ist eine Kriegsfront ja nicht gerade der geeignetste Platz für ein Kind. Mein ganzes Leben lang hatte ich nichts als Waffen gesehen, Tote, Verwundete, Not.
Anfangs konnte ich zwar dem Gedanken, bei Soana zu leben, gar nichts abgewinnen. Doch als ich dann in die friedliche Atmosphäre hier im Land des Windes eintauchte, änderte sich meine Einstellung. Gewiss, ich vermisste meinen Vater, meine Mutter, meine Schwester Kala ..., aber gleichzeitig war ich auch froh, nicht mehr mit anschauen zu müssen, wie die Männer um mich herum wie die Fliegen starben. Als ich zehn war, stellte es mir Soana frei zu entscheiden, ob ich meine Ausbildung bei ihr fortsetzen oder heimkehren und von der Zauberei lassen wolle.«
»Und du hast dich für die Zauberei entschieden.«
»Ja, aber bevor ich meine Entscheidung traf, reiste ich noch ins Land des Meeres, um meine Familie wiederzusehen.«
Sennar brach ab und atmete tief durch.
»Was ich dort vorfand, war ein Bild des Schreckens: Das Heer meines Vaters war praktisch aufgerieben, fast alle, die ich gekannt hatte, waren tot. Mein Vater, so erfuhr ich, hatte sich bis zuletzt mit seinem Leib schützend vor den Ritter Parel gestellt, dem er diente, und ihm so das Leben gerettet.«
Sennar hielt wieder inne, und Nihal blickte ihn schweigend an.
»Ich vergoss alle Tränen, die ich in mir hatte, und man versuchte mich damit zu trösten, dass ich der Sohn eines Helden sei, aber das bedeutete mir fast gar nichts. Mein Vater war tot, ich würde ihn niemals wiedersehen.« Sennars Stimme versagte einen Moment, dann fuhr er fort. »Irgendwann beschloss ich, zu Soana zurückzukehren und weiter die magischen Künste zu erlernen, um dann, wenn ich Zauberer wäre, mein Können in den Dienst des Friedens zu stellen,- ich würde den Tyrannen bekämpfen, für meinen Vater und alle Unschuldigen, die in diesem Krieg noch immer hingemetzelt werden. Verstehst du jetzt, warum ich dich zurechtwies? Der Krieg ist kein Spiel, er bedeutet Tod und Vernichtung, und nur der Friede kann uns von diesem Übel befreien.« Nihal blickte Sennar bewundernd an: Dieser Junge kam ihr plötzlich sehr stark vor, reif und weise wie ein wahrer Krieger.
»Du wunderst dich, nicht wahr?« Sennar zwinkerte ihr zu. »Du hast geglaubt, ich sei so ein dahergelaufener Dummkopf, der nur Krawall sucht, und jetzt hast du es mit einem alten Mann zu tun, der von seinen Kriegserlebnissen berichtet.«
Sie mussten beide lachen.
»Und du? Erzähl mir doch mal ein wenig von dir: Warum willst du ein Krieger werden?«
Auch Nihal legte sich ins Gras. Der Himmel über ihr erstrahlte in einem Gewirr von Sternen.
»Ich will viele Abenteuer erleben, und ich will die Welt bereisen und Menschen und Völker kennen lernen. Außerdem liebe ich es zu kämpfen: Sobald ich mein Schwert umklammere, fühle ich mich sicher und gegen alles gefeit. Und wenn ich kämpfe, fällt alles von mir ab. Dann bin ich so leicht wie eine Feder. Frei. Ich weiß nicht, für wen ich kämpfen werde, aber klar, der Friede ist eine gute Sache, daher werde ich vielleicht für den Frieden kämpfen. Außerdem möchte ich ein guter Krieger werden, damit Livon stolz auf mich sein kann. Er bedeutet mir alles. Vater, Mutter, Bruder.« Sennar setzte sich auf und blickte das Mädchen voller Zuneigung an. »Diese Nacht werde ich bei dir bleiben, dann kannst du beruhigt schlafen. Doch morgen früh muss ich dich verlassen: Schließlich hast du eine Prüfung zu bestehen. Daher versuche jetzt am besten, etwas zu schlafen. Der morgige Tag wird anstrengend für dich.« Nihal folgte Sennars Rat und
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