Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
»Was soll ich denn hier tun?«
»Setz dich auf dem Stein nieder, befreie deinen Geist von jeder Sorge und denke nur an das Leben, das um dich herum pulsiert. Irgendwann wirst du vielleicht spüren, wie es deinen Körper durchfließt, und dies ist dann das Zeichen, dass die Verbindung gelungen ist.« Mit diesen Worten wandte sich die Zauberin zum Gehen. »Wir sehen uns in zwei Tagen wieder. «
»Warte. Und dann?«, fragte Nihal, in dem verzweifelten Versuch, sie noch ein wenig zurückzuhalten.
»Dann komme ich dich abholen und werde dich auffordern, mir deine Kräfte zu zeigen. Das ist alles. Bis bald, Nihal.«
Eine Weile rief ihr das Mädchen noch mit lauter, verzweifelter Stimme nach, doch bald schon hatte der Wald die Zauberin verschluckt. Da fiel sie auf die Knie, und ein solcher Kummer überkam sie, dass sie zu weinen begann.
Sie war allein. Sie hatte Angst. Noch nie im Leben hatte sie so große Angst gehabt. Die kahlen Äste erschienen ihr wie Skelette, die sich anschickten, sich auf sie zu stürzen, und die Lichtung kam ihr wie ein Gefängnis mit hölzernen Mauern vor. Wer würde, wenn die bösen Geister sie anfielen, in dieser grenzenlosen Einsamkeit ihr Schreien hören? Fast eine Stunde lang weinte sie, bis sie sich, mehr aus Erschöpfung, endlich beruhigte.
Ein Vögelchen hatte sich nicht weit von ihr niedergelassen und trank mit raschen, zuckenden Kopfbewegungen aus der Quelle. Das Bild lenkte sie von ihrer Angst ab. Ganz behutsam, um kein Geräusch zu machen, griff sie zu ihrer Tasche und nahm ein Stückchen Brot heraus, zerbröselte es und warf dem Vögelchen - es musste sich um einen verspäteten Zugvogel handeln - die Krumen hin. Es erschrak zunächst, merkte dann aber, dass ihm keine Gefahr drohte, und stürzte sich gierig darauf. Dann legte sich Nihal einige Krümel auf die Handfläche und streckte sie zu dem Vögelchen aus, das sie eine Weile misstrauisch ansah, bevor es auf ihre Hand hüpfte. Wenn im Wald solch friedliche Geschöpfe wie dieses lebten, so überlegte sie, waren die bösen Geister hier vielleicht doch nicht so zahlreich, wie man in Salazar erzählte. Aber sie hätte auch ohnehin nicht umkehren können, da sie den Weg zurück nicht kannte. So konnte sie genauso gut versuchen, diese Prüfung zu bestehen.
Das Vögelchen flog davon, und Nihal war erneut allein. Sie machte es sich auf dem Steinsessel bequem und legte ihr Schwert griffbereit neben sich.
Als sie sich nun zu konzentrieren versuchte, merkte sie bereits nach kurzer Zeit, dass dies gar nicht so einfach war: Beim leisesten Rascheln zuckte sie zusammen, und ihre Hand fuhr zur Waffe. Leider war der Wald erfüllt von jeder Art Geräusche: Schloss sie die Augen, war ihr, als höre sie Schritte näher kommen, und sie konnte sich nur dadurch beruhigen, indem sie die Augen rasch wieder aufschlug und sich umblickte. Wie sollte sie bloß unter diesen Bedingungen mit einer Natur in Kontakt treten, die ihr so feindlich vorkam?
Bereits zur Mittagszeit war sie erschöpft.
Sie versuchte, sich ein wenig zu stärken, doch ihr Magen war wie eingeschnürt. So schloss sie die Augen, um ein wenig zu schlafen, doch obwohl sie todmüde war, wollte der Schlaf nicht kommen: Die Angst ließ nicht von ihr ab.
Da legte sie sich ins Gras und blickte hinauf zum Himmel über der Lichtung: Wie phantastisch wäre es, ein Vogel zu sein und davonfliegen zu können, in die Ferne, großen Abenteuern entgegen. Wieder traten ihr die Tränen in die Augen, und sie weinte leise in sich hinein. Sie hatte das verzweifelte Bedürfnis nach einem Menschen, mit dem sie reden konnte.
Krieger weinen nicht, Krieger kennen keine Furcht, sprach sie sich selbst immer wieder Mut zu, und nach und nach gelang es dieser Litanei, ihre Angst zu vertreiben. Ja, sie würde sich dieser Prüfung furchtlos stellen, nahm sie sich vor. Erneut ließ sie sich auf dem Steinsessel nieder und konzentrierte sich. Nun ging es besser, denn sie hatte sich an die Laute des Waldes gewöhnt und maß ihnen weniger Bedeutung zu. Ja, sie begann sogar, das Leben der Natur wahrzunehmen, spürte aber auch, dass dieses Leben neben dem ihren ablief, ohne es auch nur zu streifen.
Als es dunkel wurde, ging ihr auf, dass sie gar nicht wusste, wie sie ein Feuer hätte entzünden können. Während die Finsternis unaufhaltsam alles um sie herum verschlang, fühlte sie sich mehr und mehr verloren. Verzweifelt riss sie die Augen auf, in dem Versuch, etwas zu erkennen, doch vergeblich, es war tiefe Nacht.
Da,
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