Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
wieder das Wort an sie. Er tat das von oben herab, und die Feindseligkeit in seiner Stimme war unüberhörbar.
»Das ist die Kampfbahn für die Anfänger. Alle Neulinge lernen hier zunächst einmal, mit dem Schwert umzugehen, bevor sie sich mit anderen Waffen befassen dürfen. Wir haben hier eine ganze Reihe solcher Säle, und jeder ist für bestimmte Kampftechniken eingerichtet: Wer Drachenritter werden will, muss jede Waffe gleich gut beherrschen. Der Saal ist heute leer, weil man den Schülern einen Ruhetag in der Woche gönnt. Nur bei dir ist das anders: Du hast kein Anrecht darauf.« Durch ein weiteres Labyrinth von Korridoren gelangten sie zu einer Kampfbahn im Freien.
»Hier machen sich die älteren Schüler mit ihren Drachen vertraut. Aber du wirst vielleicht niemals so weit kommen.« Lahar lachte höhnisch auf.
Aber Nihal ließ sich nicht einschüchtern. »Und darf man, bitteschön, vielleicht auch mal erfahren, wieso?«
»Mäßige deinen Ton! Aber wenn du es unbedingt wissen willst... Nach den ersten Monaten haben die Schüler als Fußsoldaten in ihrer ersten Schlacht unter Beweis zu stellen, was sie gelernt haben. Und ich kann dir versichern: Die Fammin machen keinen Unterschied zwischen kleinen Mädchen und echten Männern.«
»Ich kenne die Fammin. Ich habe schon welche getö...«
»Ruhe. Gewöhne dich daran, nur zu sprechen, wenn du gefragt wirst.« Anschließend warfen sie einen Blick in den Speisesaal, wo in regelmäßigen Abständen Dutzende von Tischreihen aufgestellt waren, und gelangten dann zu einer langen Flucht von Sälen mit jeweils rund zwanzig Betten. Diese Schlafsäle waren spartanisch eingerichtet: Neben jeder Pritsche stand nur ein plumpes Tischchen, auf dem die Schüler ihre persönliche Habe ablegen konnten.
Endlich führte Lahar sie zu einem düsteren, schimmelig riechenden Räumchen. Auf dem Boden war mit ein wenig Stroh ein Lager angedeutet. Durch eine Öffnung, nicht breiter als eine Schießscharte, fiel ein Streifen Tageslicht ein.
»Du bist eine Frau, deswegen wirst du hier schlafen.«
Mit einer Mischung aus Ekel und Verzagtheit blickte Nihal sich um. »Hier bekommt man ja keine Luft ...«
»Was hast du erwartet? Einen Palast? In die Akademie kommt man, um kämpfen zu lernen, nicht zur Sommerfrische. Und nun hör mir mal gut zu. Denn ich sag's nicht zweimal. Wir stehen hier jeden Morgen bei Sonnenaufgang auf und beginnen mit dem Waffentraining. Nach dem Essen pünktlich zur Mittagszeit steht Unterricht in Strategie und Taktik auf dem Programm. Abendessen bei Sonnenuntergang. Nach dem Essen ziehen sich alle zurück. Danach ist es nicht mehr gestattet, sich frei im Haus zu bewegen. Dir wird ein Ruhetag im Monat zugestanden. Bis zur Beendigung der Grundausbildung hast du dein Schülergewand zu tragen. Danach wird man dich einem Drachenritter zuordnen. Von diesem Zeitpunkt an gelten dann die Regeln, die dieser Lehrmeister für dich aufstellt. Das ist alles. Bis morgen früh hast du keine Verpflichtungen, aber ich rate dir, brav in deiner Kammer zu bleiben. Einen schönen Aufenthalt.«
Lahar wandte sich zum Gehen.
»Ach, ich vergaß. Waffenbesitz ist den Schülern untersagt. Also gib mir dein Schwert.« Nihal legte die Hand ans Heft. »Ich bin sicher, für mich wirst du ein Auge zudrücken.« »Für so ein kleines halbblütiges Flittchen? Warum sollte ich?«
Einen Augenblick später spürte er schon die kristallene Klingenspitze an der Kehle. »Vielleicht hast du es nicht mitbekommen: Meine Aufnahme in die Akademie habe ich mir durch einen Sieg über die zehn besten Schüler verdient... und mein Recht weiterzuleben, durch die Tötung zweier Fammin im Land des Windes.« Dem Mann brach der Schweiß aus. Zu gut kannte er die ganze Geschichte. Voller Hass blickte er sie an, spuckte vor ihr aus und verschwand dann, indem er die Türe hinter sich zuschlug.
Nihal steckte das Schwert zurück. Ihr war, als müsse sie ersticken.
Sie trat an die Fensteröffnung, doch durch die Scharte war nicht mehr als ein winziger Ausschnitt vom chaotischen Gewimmel in Makrat zu erkennen.
So warf sie sich auf das Strohlager und starrte zur Decke.
Zunächst versuchte sie, sich die vor ihr liegenden phantastischen Abenteuer als Kriegerin auszumalen, doch der Versuch fiel kümmerlich aus. Also dachte sie an Livon — und erreichte den Tiefpunkt der Verzweiflung. Von lauten Geräuschen geweckt, schrak sie auf. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie eingeschlafen war. Der Lärm kam aus den
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