Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
sich nieder und nahm schweigend, voller Verbitterung, ihre Mahlzeit ein.
Und kaum hatte sie fertig gegessen, schlich sie sich eilig zu ihrem düsteren Kabuff zurück. Auf der Schwelle wartete bereits Malerba auf sie, mit einem unförmigen Bündel in Händen und einem schwachsinnigen Lächeln im Gesicht.
Ohne ihn anzublicken, nahm Nihal die Kleider entgegen und wollte eintreten, aber der hässliche Zwerg trat mit ihr über die Schwelle.
»Du kannst gehen«, herrschte Nihal ihn an, woraufhin der Diener wieder eine zerknirschte Miene aufsetzte und abzog.
Nihal schloss sich ein. Der Gedanke, dass dieses unansehnliche Geschöpf vor ihrer Kammer herumschlich, brachte sie schier um den Verstand. Mit Wut im Bauch klemmte sie ihr Schwert so in den Türrahmen, dass niemand hineinkam, sei es nun Malerba oder einer dieser aufgeblasenen Schüler, die sie gedemütigt hatten. Sie war allein. Im flackernden Licht der Lampe zeichneten sich die Konturen jetzt schärfer ab, in diesem Räumchen, das ihr nun tatsächlich wie eine Zelle vorkam. Sie nahm die Kleider zur Hand und schaute sie sich kurz an: Es handelte sich um ein Beinkleid und einen langen leinenen Waffenrock. Dann warf sie sie in eine Ecke und streckte sich in ihrer Kleidung auf dem Strohlager aus. Jenseits der Tür hörte sie Lärm und Gelächter der anderen Schüler. Sie war davon ausgeschlossen.
Zum ersten Mal war sie sich ganz bewusst, dass sie kein Mensch wie die anderen war. Sie war eine Fremde. Niemand sonst war so wie sie. Sie war die letzte Überlebende, etwas Überholtes, das einer vergangenen Epoche angehörte.
Was wollte sie eigentlich hier? Alle Halbelfen waren tot, und ihr Platz war nicht unter den Lebenden. Das war kein neuer Gedanke, aber nun war er gekoppelt an ein Gefühl, das sie noch nie so deutlich wie an diesem Abend verspürt hatte. Sie war anders als alle anderen.
Lange weinte sie, wobei sie immer wieder versuchte, ihres Schluchzens Herr zu werden, und sich wütend mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht wischte. Weinend schlief sie ein.
Es war noch nicht hell, als jemand mit Macht gegen die Tür pochte. Nihal schrak aus dem Schlaf auf. »Wer da?«, rief sie ängstlich.
Von draußen erreichte sie Malerbas undeutliche Stimme, der etwas von Wacheschieben faselte. Jetzt erinnerte sich Nihal an die Bestrafung und spürte zugleich, dass das Gefühl der Erniedrigung noch nicht gewichen war.
In aller Eile zog sie sich an. Der Waffenrock war sehr lang und kleidete sie unvorteilhaft, ließ sie klein und gedrungen wirken. Sie griff zu Schwert und Umhang und verließ den Raum.
Malerbas Augen erstrahlten, als er sie sah, und sogleich legte er ihr wieder eine Hand auf den Arm. »Portal, da warten ...«
»Fass mich nicht an.« Nihals wütende Stimme ließ Malerba zusammenzucken. Am Eingangsportal der Akademie traf Nihal auf eine müde Wache, die bereits auf sie wartete.
»Du hast Glück, es sind nur noch zwei Stunden bis zum Morgengrauen«, sagte der Junge und gähnte laut.
Er war fast freundlich, aber kaum hatte er sie im Schein der Fackel erkannt, bedachte er sie mit einem abweisenden Blick.
Nihal nahm die Lanze ihres Vorgängers entgegen. Es war schneidend kalt. Die absurden Kleider, die sie tragen musste, wärmten kein bisschen, und ohne ihren Umhang wäre sie erfroren. Ein Schauder durchlief sie. Die Augen fielen ihr zu. Der Tag fing ja gut an.
Und auch der Rest des Tages wurde nicht besser.
Wie am Vorabend aß sie allein und ging dann in den Saal hinüber, wo das Waffentraining stattfinden sollte. Viele Jungen hatten bereits begonnen, und ihr fiel auf, dass sie in Gruppen aufgeteilt waren. Während sie sich umblickte, um herauszufinden, welcher sie wohl zugeordnet war, sah sie einen Mann, der sie zu sich winkte. »Du musst die neue Schülerin sein. Ich bin Parsel, dein Lehrer. Komm.« Nihal folgte ihm bis zu einer abgetrennten Fläche, bei der einige Jungen ungefähr in ihrem Alter versammelt waren.
»Das ist unsere Anfängergruppe. Hier erlernen wir die ersten Grundlagen und wichtigsten Grundtechniken des Schwertkampfes.«
Nihal blickte ihn ungläubig an. »Was soll das heißen, die ersten Grundlagen? Ich wurde hier aufgenommen, weil ich die zehn besten Schwertfechter dieser Schule besiegt habe!«
»Tatsächlich? Nun, jedenfalls wurdest du mir zugewiesen, und daher wirst du auch schön bei uns bleiben.«
Doch so leicht gedachte sich Nihal nicht geschlagen zu geben. »Nun gut. Dann kämpfen wir eben. So werdet Ihr schnell
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