Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
bewegte sich flink durch Tunnel und Gänge. Wie im Schlaf schien sie jeden Durchschlupf, jede Abkürzung zu kennen, und das nicht nur in ihrem Bereich, sondern in dem gesamten Kanalsystem. Sogar an Stellen, wo sich viele Kanäle kreuzten, zögerte sie nicht einen einzigen Moment und schlug sicher einen Weg ein. Auf Feinde stießen sie nicht, waren aber mehr als einmal gezwungen, plötzlich die Richtung zu ändern. Dann blieb Aires wie angenagelt stehen und verharrte reglos, so als wittere sie etwas, oder sie kauerte sich auf den Boden und lauschte mit dem Ohr am Fels, um ihnen dann einen bestimmten Weg vorzugeben.
»Hin und wieder schicken unsere Feinde eine Vorhut aus, deswegen haben wir an einigen Stellen Kanäle zerstören müssen«, erklärte sie Nihal und Sennar an einem Nachmittag.
Die Halbelfe merkte, dass sich Aires doch besser ertragen ließ, als sie gedacht hätte. Abgesehen von den Momenten, wenn sie Sennar im Gespräch feurige Blicke zuwarf, so als wolle sie ihn provozieren, war sie eine angenehme Reisegefährtin. Hatte sie Nihal in den vier Tagen ihres Aufenthalts in der großen Halle kaum eines Blickes gewürdigt, so redete sie nun immer häufiger mit ihr.
Eines Tages schlug Aires ihr ein Duell mit dem Schwert vor. Begeistert stimmte Nihal zu, denn sie wünschte sich nichts sehnlicher, als diese Frau zu schlagen und sie ein für alle Mal in ihre Schranken zu verweisen.
Der Kampf fand auf dem Felsabsatz vor einem Sammelbecken statt. Verlieren sollte, wer zuerst ins Wasser fiele oder verletzt würde. Sogleich entwickelte sich ein verbissen geführter Kampf, mit voller Wucht stürzte sich Nihal auf ihre Gegnerin und versuchte auch all die kleinen Tricks anzuwenden, die sie auf den Schlachtfeldern gelernt hatte. Aires stand ihr jedoch in nichts nach. Sie war flink, ausdauernd, und vor allem zögerte auch sie nicht, zu unsauberen Mitteln zu greifen. Nihal wurde schnell klar, dass die Duelle, wie Aires sie kannte, durch Hinterlist oder durch Überrumplung gewonnen wurden.
Schließlich hatte Nihal nach einem langen, leidenschaftlichen Kampf das bessere Ende für sich. Sie konnte Aires ins Wasser stoßen, nachdem sie sie mit einer Reihe blitzschneller Attacken immer weiter zurückgedrängt hatte. Allerdings verschaffte ihr der Sieg nicht die große Genugtuung, die sie sich erhofft hatte. Der Zweikampf hatte ihr Spaß gemacht, sie bewunderte die Fechtkünste ihrer Gegnerin und fühlte sich jetzt fast versöhnt mit dieser Frau, die ihr doch zunächst so unsympathisch gewesen war. In einer Nacht änderte sich ihr Verhältnis dann vollends. In Gedanken versunken hielt Nihal neben dem Feuer Wache, als sie hinter sich Aires mit ihrem typischen samtweichen Gang näher kommen hörte.
Wenn Nihal sah, wie Aires sich bewegte, musste sie häufig daran denken, wie Eleusi ihr das Einherschreiten einer Frau erklärt hatte. Damals verstand sie nicht, was ihre Freundin eigentlich meinte, aber als sie zum ersten Mal Aires die Hüften schwingen sah, wurde ihr schlagartig klar, wie sich eine richtige Frau mit fast hypnotisierenden Schritten durch den Raum bewegte.
Nihal rührte sich nicht.
»Deine Wache ist beendet, ich bin an der Reihe«, sagte Aires, während sie sich streckte. »Du kannst ruhig weiterschlafen. Ich bleib gern noch ein wenig wach«, antwortete Nihal.
In jener Nacht war ihr tatsächlich nicht nach Schlafen zumute. Sie fürchtete, dass ihre Albträume wiederkämen, wenn sie die Augen schloss. Seit Laios Tod hatte sie Angst, auch ihr treuer Freund könnte unter den Gestalten auftauchen, die sie im Schlaf quälten.
»Wie du willst«, sagte Aires mit einem Achselzucken, »aber ich habe lange genug geschlafen und werde mit dir wachen.«
Dem Quersack, den sie immer mit sich trug, entnahm sie ihre Pfeife, zündete sie an und begann zu rauchen. Sogar diese Geste, die Nihal immer sehr männlich vorgekommen war, hatte bei ihr etwas Sinnliches.
»Du bist nicht so, wie ich dachte«, begann Aires. »Nach Sennars Beschreibung hatte ich mir ein anderes Bild von dir gemacht.«
»Und wie sollte ich diesem Bild nach sein?«
»Sehr viel ... entschlossener. Ich hatte gedacht, auf eine Furie zu stoßen, und du kommst mir eher wie ein verängstigtes Mädchen vor.«
Nihal verzog gekränkt das Gesicht. Die Beschreibung ärgerte sie: Sie war doch ein Krieger und kein kleines Mädchen.
»Es ist nicht böse gemeint«, fuhr Aires fort. »Eine Frau bleibt immer eine Frau, und es ist gut, wenn sie ihre Weiblichkeit nicht
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