Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
verliert. Doch ich dachte, du seiest so eine Art muskelbepackte Hünin.«
Es entstand ein längeres Schweigen. Nihal fühlte sich unwohl, während Aires ruhig und gelassen ihre Pfeife rauchte.
»Warum fragst du mich nicht einfach?«, sagte Aires plötzlich in die Stille hinein. Nihal hob den Kopf. »Was denn?«
»Du weißt schon, die Frage, die dich die ganze Zeit schon um treibt.«
»Ich wüsste nicht, welche Frage du meinen könntest«, antwortete die Halbelfe, merkte aber, dass sie errötet war.
Aires seufzte. »Also, pass auf. Während der ganzen Zeit, die Sennar und ich zusammen auf meinem Schiff verbracht haben, hatte ich einen Geliebten. Und zwar jenen Mann, von dem ich Sennar erzählte, als wir uns vor ein paar Tagen wiedersahen. Idiotischerweise hatte ich nur Augen für diesen Mann, sodass ich gar keine Zeit hatte, einen Gedanken an deinen Verlobten zu verschwenden.«
»An wen?«, platzte Nihal heraus, das Gesicht rot wie eine Tomate.
»An Sennar«, antwortete Aires ganz ruhig, »deinen Verlobten.«
»Sennar ist mein bester Freund, sonst gar nichts.«
»Nur ein Freund?«, wiederholte Aires skeptisch.
»Mein einziger echter Freund«, präzisierte Nihal mit einem zärtlichen Tonfall in der Stimme.
»Wenn man euch zusammen sieht, bekommt man einen anderen Eindruck ...« »Für solche Dinge habe ich keine Zeit, ich darf nur an meine Mission denken«, antwortete Nihal und starrte ins Feuer.
»Das sehe ich nicht so«, erwiderte Aires. Sie nahm einen langen Zug. »Für die Liebe sollte immer Zeit sein.«
»Das ist bei mir anders«, erklärte Nihal. »Das ist nicht nur meine Mission. Das ist mein Leben.«
»Ja, Sennar hatte mir erzählt, dass dein Lebensinhalt der Kampf ist ...«
»Ja, schon, aber ich bin mir heute gar nicht mehr so sicher ...«, murmelte Nihal. »Oft denke ich, es muss doch noch etwas anderes geben, das allem anderen einen Sinn verleiht.«
»Du meinst einen Beweggrund, sich täglich dem Leben zu stellen ...?«, bemerkte Aires. Nihal nickte. »Was du am ersten Tag über die Freiheit gesagt hast, hat mir gut gefallen«, erklärte sie. »Auch wie du es gesagt hast. Du wirktest so überzeugt. Auch ich würde so gern an etwas glauben, einen festen Halt besitzen, an den ich mich klammern kann.« »Das verstehe ich nicht«, sagte Aires. »Du bist doch eine Kriegerin und stehst im Kampf gegen den Tyrannen. Wenn das kein guter Grund zu leben ist!«
»Es ist aber anders«, antwortete Nihal betrübt. »Nicht weil ich möchte, sondern weil ich muss, bin ich in dieser Mission unterwegs. Und ich kämpfe, weil ich nichts anderes kann. So mache ich immer weiter in der Hoffnung, irgendetwas zu finden. Aber ich finde einfach nichts. Jeder Halt, den ich gefunden zu haben glaubte, erwies sich als unsicher und ist mir unter den Händen weggebrochen. Vielleicht gibt es gar nichts, an das man sich klammern kann, oder zumindest nichts für mich.« Sie hob den Blick, verlegen ob ihrer ungeplanten Beichte, und sah, dass Aires sie verwundert anschaute. »Vielleicht hast du nicht richtig gesucht«, sagte die Frau.
»Wie hast du denn gefunden, woran du glaubst?«
»Schwer zu sagen. Plötzlich überfiel mich diese Erkenntnis mit solcher Macht, dass ich mich unmöglich entziehen konnte. Wahrscheinlich trug ich sie schon lange Zeit in mir, und irgendwann trat sie dann zutage. Du hast doch immer gekämpft«, fuhr Aires fort, »aber hast du dich nie gefragt, ob der Sinn deines Lebens wirklich im Kampf liegt? Vielleicht liegt er ja woanders. Vielleicht ist er ganz nahe, und du hast es nur noch nicht bemerkt.«
Nihal war verwirrt und starrte in das Feuer, ohne zu antworten.
»Du musst nicht glauben, dass es immer die überragenden, hochtrabenden Ideale sind, die dem Leben einen Sinn geben und zum Handeln treiben. Manchmal muss man von kleinen Gewissheiten ausgehen, um daraus große Überzeugungen aufzubauen, und die kleinen Wünsche treiben an zu großen Taten. Hast du dir das nie überlegt?«
Nihal starrte weiter still in das Feuer.
»Und Sennar?«, fragte Aires ganz unvermittelt.
Nihal errötete erneut. »Was hat Sennar damit zu tun?«
»Glaubst du, dass du ihm vertrauen kannst? Traust du ihm?«
»Gewiss tue ich das. Er ist der einzige Mensch, zu dem ich absolutes Vertrauen haben kann.«
»Dann stimmt es also nicht, dass du keine Gewissheiten, keinen festen Anker hast, denn einer schläft hier, direkt neben dir«, schloss Aires. Dann steckte sie sich die Pfeife wieder in den Mund und rauchte in aller Ruhe
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