Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
zu haben, ist keine Kleinigkeit für einen Krieger.«
»Ach was, ich kämpfe noch genauso gut wie vorher. Soll ich's dir zeigen?« »Sei nicht so kindisch. Du glaubst wohl immer noch, mit dem Schwert alle Probleme lösen zu können. Meinst du, ich hätte deinen großspurigen Auftritt in der Akademie vergessen? Nein, Ido, du kannst es nicht leugnen, es fällt dir schwer, Distanzen richtig einzuschätzen, und dein Gesichtsfeld ist stark eingeschränkt. Du kannst nicht mehr so wie früher kämpfen.«
Ido versuchte, sich zu beherrschen, doch gegen seine Wut kam er nicht an. »Zieh dein verdammtes Schwert und beweis mir, dass ich nicht mehr so gut bin wie früher. Beweis es mir! Wir beiden hätten schon vor Jahren miteinander abrechnen sollen.« Raven ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ido, zwing mich nicht ...« »Ich verlange es von dir, verflucht noch mal!« Idos Brüllen ließ die Wachen am Eingang zusammenschrecken.
»Du bist nicht bei dir!«, antwortete Raven gelassen. »Es hat keinen Sinn, dieses Gespräch fortzusetzen. Geh jetzt, wenn du zur Vernunft gekommen bist, reden wir noch mal darüber.«
Raven drehte sich um und bewegte sich auf seinen Sessel zu. Da sah Ido rot. Mit einem Schrei zog er das Schwert, das ihm der Offiziersbursche besorgt hatte, und griff den Obersten General an.
Raven parierte mit Leichtigkeit. »Denk dran, dass ich dein Vorgesetzter bin. Provoziere mich nicht, Ido.«
Doch der Gnom hörte ihn nicht und attackierte erneut. Und wieder parierte Raven fast mühelos, um dem Angreifer gleich darauf einen Hieb von der Seite zu versetzen. Ido sah ihn zu spät und fuhr herum, weil er ein Rascheln neben sich gehört hatte. Da erst bemerkte er, dass eine der beiden Wachen herbeigeeilt war.
»Na, bist du nun überzeugt? Du hast meinen Hieb nicht kommen sehen und nichts von der Wache bemerkt.«
Ido antwortete nicht, sondern ging mit einem erneuten Schrei gleich wieder zum Angriff über. Jetzt ging es Schlag auf Schlag, doch fast immer reagierte Ido zu spät auf die Attacken seiner beiden Gegner. Er war verwirrt, nahm den Raum um sich herum nicht richtig wahr, und so wurden seine Bewegungen immer fahriger. Als er dann an der Schulter getroffen wurde, nutzte Raven die Gelegenheit, um ihn zu entwaffnen. Scheppernd landete Idos Schwert auf dem glatten Fußboden, und er fiel keuchend auf die Knie.
»Du bist nicht mehr imstande zu kämpfen«, verkündete der Oberste General, »tut mir leid für dich, Ido, aber auf die Dienste eines Drachenritters, der nur noch die Hälfte wert ist, können wir verzichten.«
Mit diesen Worten verließ Raven den Saal. Das Klacken seiner Stiefel auf dem Marmorboden klang wie zusätzlicher Hohn in Idos Ohren.
Schwer atmend blieb er am Boden liegen, sein Schwert ein paar Ellen von ihm entfernt. Es ist aus. Es wird nie mehr so wie früher sein. Er hat Recht. Als Drachenritter bin ich nur noch die Hälfte wert.
Und er schickte einen Schrei voller Wut zur hohen Decke des Saales hinauf. Wie eine Furie rauschte Ido in Soanas Zimmer. Er sah blass aus und verwirrt, und die Magierin erschrak. »Was tust du hier?«
Sie wusste noch nicht einmal, dass er in Makrat war, und dachte, er erhole sich in Dama. »Gib mir mein Auge zurück!« Soana blickte ihn verständnislos an. »Was ...?« Und schon begann er herumzustöbern, zwischen ihren Büchern, ihren persönlichen Dingen, so als habe er den Verstand verloren. »Du bist doch eine Magierin, nicht wahr? Nun, dann gib mir mein Auge zurück, verflucht noch mal! Es wird doch irgendeinen verflixten Zauber geben, der mein Auge nachwachsen lässt. Ich muss wieder so wie früher sehen können!«
Soana trat auf ihn zu und versuchte, ihn zu beruhigen, doch der Gnom wollte nicht davon lassen, Bücher aufzublättern und auf den Boden zu werfen. »Ido, es gibt keine Magie, die zu so etwas in der Lage wäre, es gibt Grenzen, die niemand ...« »Das darf nicht sein! So darf es nicht enden!« Er stürzte sich noch einmal auf die Regale, doch als er wieder ein Buch herausziehen wollte, griff er daneben. »Verdammt!« Mit einem Schrei voller Wut und Verzweiflung warf er sich zu Boden, während ihm Tränen über das Gesicht rannen.
Soana hatte ihn noch niemals weinen sehen. Sie verharrte an ihrem Platz und wartete, dass Ido sich beruhigte.
»Deinoforo hat mir nicht nur mein Auge genommen, sondern auch meinen Lebensinhalt, den Kampf, das Letzte, was mir verblieben war. Mit nur einem Auge habe auf dem Schlachtfeld nichts zu suchen. Aber was
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