Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
der Gnom auf den Weg zur Akademie. Dort schaute er zunächst nach Vesa und erhielt die Erlaubnis, den Drachen noch länger in den Stallungen der Akademie zu belassen.
Dann suchte er Parsel. Man sagte ihm, der sei mit seinen Schülern beschäftigt, und so hinterließ er ihm eine Nachricht und hoffte, dass der Fechtlehrer ihn nicht allzu lange warten lassen würde.
Sie trafen sich außerhalb der Akademie in einem Wirtshaus in Makrat. Als Parsel eintraf, blickte er Ido verlegen an.
»Mach nicht so ein Gesicht«, beruhigte ihn Ido, »ich bin kein Invalide.« Das ließ sich Parsel nicht zweimal sagen und fand schnell wieder zu seiner eher schroffen Art zurück.
Sie unterhielten sich über die tragische Schlacht, Idos Zweikampf gegen Deinoforo, die vielen Verluste ... Dann kam Ido auf sein Treffen mit Raven zu sprechen. »Ohne Kampf kann ich nicht leben, ich denke, das wirst du verstehen«, erklärte Ido. Parsel nickte, wenig überzeugt.
»Ich will mich nicht damit abfinden, dass der Verlust dieses Auges das Ende für mich bedeutet. Ich werde trainieren und versuchen zu lernen, wieder so gut wie früher zu fechten, besser sogar, mit dem einen Auge, das mir geblieben ist.« Parsel schwieg.
»Hältst du das für unmöglich?«
»Bleibt die Sache mit dem toten Winkel. Der wird bei dir immer größer sein als bei anderen. Das kannst du nicht ändern«, antwortete der Fechtlehrer.
»Seit wann kämpft man denn nur mit den Augen? Was ist mit dem Gehör, der Nase, dem Tastsinn ... Ich will lernen, diese Sinne besser einzusetzen und Augen überall zu haben, auf dem Rücken, in den Fingerspitzen ... Aber allein schaffe ich das nicht. Ich brauche Hilfe. Könntest du ein wenig Zeit erübrigen, um mir beim Training zu helfen?« »Ich ...«, begann Parsel zögernd.
»Ich weiß, wir beide sind keine Freunde. Und ich weiß auch, dass du früher häufiger schon mit meinem Verhalten nicht einverstanden warst. Aber uns verbinden all die jungen Leute, die da draußen ihr Leben gelassen haben, weil ich falsch gehandelt habe.« Ido brach ab und starrte ihn an. »Ich bitte dich: Tu es für sie! Hilf mir, meinen Fehler wiedergutzumachen.«
Parsel antwortete nicht, hielt den Blick gesenkt und ließ einen Finger lange über den Rand seines Glases wandern. Ido hing an seinen Lippen.
»Was ist nun?«, platzte er schließlich heraus.
»Also gut«, gab Parsel nach. »Du bist ein großer Krieger, das weiß ich, und es wäre ein schlimmer Verlust für die Armee, wenn du nicht mehr kämpfen könntest. Aber ich kann dir nur abends helfen. Tagsüber habe ich in der Akademie zu tun.« Ido kippte sein Bier in einem Zug hinunter. »Ich muss lernen, mit meinem ganzen Körper zu sehen, die Dunkelheit wird mir dabei helfen.«
30. Die Rückkehr
Als Unterkunft fand Ido ein kleines Haus innerhalb der Stadtmauer von Makrat. Es war nicht so gut eingerichtet wie das von Soana, doch für seine spartanischen Gewohnheiten reichte es vollkommen. Die Zeit der Trauer war vorüber, jetzt begann eine neue Phase seines Lebens, in der er nur auf die eigenen Kräfte würde bauen können.
Rasch stellte er fest, dass ihm das Leben als Zivilist noch schwerer fiel, als er gedacht hätte. Die Tage, an denen er ziellos durch die Stadt streifte oder in seinem Zimmer lag und zur Decke hinaufstarrte, kamen ihm alle gleich und sterbenslangweilig vor. Doch dann kam der Abend, und Ido begann durchzuatmen. In einem Wäldchen vor den Toren der Stadt traf er sich mit Parsel und trainierte mit ihm bis tief in die Nacht. Der Anfang war schwer. Er hatte das Gefühl, als bewege sich die Welt zu schnell für ihn, als wimmele es in dem Raum um ihn herum von unsichtbaren Wesen. Es war unglaublich, wie sehr die Macht der Gewohnheit seine Sinne abgestumpft hatte. In der ersten Trainingsphase band Ido sich auch das gesunde Auge zu, die beste Methode, sein Gehör und seinen Tastsinn zu entwickeln.
Zunächst waren die Erfolge nicht sehr ermutigend, und häufig kehrte er mit irgendeiner oberflächlichen Verletzung nach Hause zurück. Nach ein paar Wochen aber trugen die langen Jahre, die er auf dem Schlachtfeld verbracht hatte, langsam Früchte. Ido gewöhnte sich daran, Geräusche und ihre Herkunft genau zu erkennen, sich am Rauschen des Windes in den Bäumen zu orientieren, die Richtung von Schwerthieben am Zischen der Klinge in der Luft zu erraten oder am Rascheln von Schritten im trockenen Laub. Es kam ihm so vor, als sei er noch einmal jung geworden, als habe er eine Begeisterung
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