Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
bin ich dann noch ohne den Kampf? Nichts weiter als ein Verräter!«
Er blieb schluchzend am Boden liegen. Soana beugte sich über ihn und umarmte ihn still.
Nach und nach beruhigte Ido sich. Die Wunde an der Augenhöhle war wieder aufgegangen, und Soana versorgte sie.
Vor niemand anderem hätte sich der Gnom in diesem Zustand zeigen wollen. »Verzeih mir«, sagte er.
»Mach dir keine Gedanken«, antwortete die Magierin. »Offenbar geht es dir ja schon wieder besser.«
Ido führte eine Hand an das Auge. An diese Vertiefung unter seinen Fingern würde er sich nie gewöhnen. Draußen vor dem Fenster ging die Sonne langsam über der Stadt unter, und dem Abend gelang es, die schwüle Sommerhitze ein wenig abzuschwächen. Soana zündete die Kerzen an.
»Jetzt erzähl mal, was überhaupt geschehen ist.«
Ido berichtete ihr von der Unterredung bei Raven.
»Ich habe die Wache wirklich nicht bemerkt, bis sie plötzlich neben mir stand. Und von Ravens Vorstößen habe ich auch die meisten zu spät gesehen. Weißt du, erst heute begreife ich wirklich, was der Verlust dieses Auges für mich bedeutet. Ich werde nicht mehr kämpfen können.« Er blickte sie an. »Und der Kampf gegen den Tyrannen war für mich die einzige Möglichkeit, für all meine Fehler zu bezahlen.«
Soana lächelte ihn traurig an. »Ido, du brauchst kein neues Auge. Was du brauchst, ist Mut und Willensstärke. Du wirst lernen, dich auch mit einem Auge richtig zu bewegen und erfolgreich zu kämpfen, du wirst dein Gehör verfeinern und auf das Schlachtfeld zurückkehren.«
Eine Weile saßen sie schweigend da, während die Dunkelheit um den Lichtschein der Kerzen herum immer schwärzer wurde.
»Danke«, murmelte Ido.
»Bleib heute Abend hier«, sagte Soana. »Du brauchst Ruhe.«
Der Gnom nickte.
Längere Zeit blieb Ido bei Soana. Er brauchte Muße zum Nachdenken, und die Gesellschaft der Magierin tat ihm gut.
»Ich werde Parsel um Hilfe bitte«, sagte der Gnom eines Abends, während Soana die kühlere Luft genoss, die durch das Fenster einströmte. Der Sternenhimmel funkelte so hell, dass sein silbernes Licht die stillen Gassen Makrats beschien.
Die Magierin lächelte. »Schön, dann bist du also so weit.«
»Noch etwas anderes habe ich mir vorgenommen«, fügte Ido nach längerem Schweigen hinzu.
Soana blickte ihn fragend an.
»Ich will herausfinden, wer Deinoforo eigentlich ist.« Die Magierin seufzte. »Ich weiß, was du jetzt denkst«, fuhr der Gnom fort, »aber keine Sorge, das Gewand des einsamen Rächers habe ich jetzt abgelegt, es steht mir nicht, ich sehe lächerlich darin aus. Aber ich muss ihn besiegen.«
»Sei vorsichtig. Der Weg, den du da gehen willst, ist gefährlich.«
Ido spürte, dass Soana hin- und hergerissen war, so als wolle sie ihm etwas erzählen, überlege aber noch, ob das wirklich ratsam sei.
»Es ist seltsam, dass manche Leute immer wieder auftauchen, in den verschiedensten Geschichten«, sagte die Magierin schließlich. »Und gewöhnlich sind es nicht die sympathischsten Personen.«
Ido blickte sie verständnislos an.
»Nun, als es mir damals nach so langer Zeit endlich gelungen war, meine Lehrerin Rais ausfindig zu machen, bat sie mich, Nihal zu ihr zu bringen. Ich wollte nichts davon wissen, und sie sprach dann einen Satz, der mir damals Rätsel aufgab. Sie sagte, jene Geister, die einer scharlachroten Rüstung folgten, würden Sheireen dazu bewegen, ihr Schicksal anzunehmen so wie sie selbst, ebenjener Rüstung folgend, ihrem Schicksal entgegenging.«
Ido schlug die Augen nieder. »Die erste Schlacht gegen das Totenheer ...«, murmelte er. Soana nickte, und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Ich weiß nicht, was sie mit dem zweiten Teil des Satzes meinte ... und will es auch gar nicht wissen, aber sie wird es dir erklären können«, schloss sie düster.
Der Gnom schwieg einige Augenblicke. »Ich muss zu ihr.«
»Sei auf der Hut, Ido, sie ist nicht mehr ganz bei Verstand und hat nur noch wenig gemein mit meiner früheren Lehrerin. Sie ist erfüllt von Hass, einem tiefen Hass, der sie auch äußerlich gezeichnet hat.«
»Das macht nichts. Ich hatte schon mit so vielen hasserfüllten Leuten zu tun.« Sogleich fiel ihm sein Bruder ein, aber er verscheuchte den Gedanken. »Ich muss wissen, wer Deinoforo ist, ich muss wissen, warum ich so besessen bin von diesem Ritter.« »Ich habe dir gesagt, wie ich darüber denke. Gib aber wenigstens gut auf dich acht.« Ido nickte.
Am nächsten Tag machte sich
Weitere Kostenlose Bücher