Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
unterwegs war und sein Ziel immer noch nicht erreicht hatte. Er dachte an Nihal, die sich mittlerweile erholt haben musste und gewiss darauf brannte, sich in Marsch zu setzen. Sennar war froh, jetzt nicht in Laios Haut zu stecken. Sie flogen, so schnell sie konnten, und wunderbarerweise ohne Hemmnisse, sodass sie noch am Vormittag Lome erreichten. Die Stadt erstreckte sich an der halbmondförmigen Lamar-Bucht und war einer der bedeutendsten Häfen im Land des Meeres. Die Kaserne, zu der sie unterwegs waren, lag abseits des Gewimmels der Innenstadt direkt am Meer.
»Da bin ich ausgebildet worden«, erklärte Aymar, während sie darauf zuhielten. »Nicht in Makrat?«, wunderte sich Sennar.
Aymar lächelte. »Zwar gehören wir alle zum Orden, aber wir Ritter der Blauen Drachen verbringen die meiste Zeit unserer Ausbildung traditionsgemäß im Land des Meeres.« In der Tat unterschied sich das Gebäude von den typischen Kasernen des Ordens. Mit seiner schlanken Bauweise erinnerte es an die antiken Paläste dieses Landes. Viele Jahre zuvor hatten sich die Ritter der Blauen Drachen von den anderen Drachenrittern abgespalten und eine kleine eigenständige Truppe gebildet. Erst mit dem Friedensschluss unter König Nammen hatten sie sich dann wieder dem Orden angegliedert.
Sie landeten in einer Arena im Innenhof der Kaserne. Kaum am Boden, kauerte sich der Drache brav zusammen. Sennar sprang ab und machte sich unverzüglich auf den Weg in die Stadt, um Nachforschungen anzustellen.
Er wanderte von Wirtshaus zu Wirtshaus und hörte sich überall um, doch am Abend musste er sich niedergeschlagen auf den Rückweg machen, weil ihm niemand hatte weiterhelfen können.
Er betrat die Kaserne und nahm in dem Saal, wo auch die Drachenritter speisten, ein karges Mahl ein. Ein Tag noch, nur noch ein Tag, dann würde er sich wieder allein durchschlagen müssen. Vielleicht, so dachte er mutlos, hatten sie den gesuchten Ort schon hinter sich gelassen, ohne etwas davon mitzubekommen. Schließlich hatten sie sich die gesamte Nordküste der Halbinsel nicht näher ansehen können, und dort konnte sich das Heiligtum durchaus befinden. Nüchtern betrachtet musste er sich eingestehen, dass er eine Nadel im Heuhaufen suchte.
»Sie sind unermesslich hoch und scheinen im Mondlicht zu glitzern.«
Er hatte zu viel gewollt und war gescheitert.
»Von Lamar aus kann man sehen, wie sie sich in der Ferne aus dem Meer erheben.« Es war ihm nicht gelungen, Nihal zur Seite zu stehen und für sie einzuspringen. Zunächst hatte er ihre Wunde erfolglos behandelt und sich nun in dieser ausweglosen Situation verrannt.
»Der Wind pfeift durch die Felsspalten, und die Gischt der Brandung spritzt mächtig auf.«
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Küste Zoll für Zoll abzusuchen und auf Nihal zu warten.
»Aus der Ferne wirken sie des Nachts wie zwei Schatten, die sich von der Finsternis abheben wie zwei hohe Türme.«
Ruckartig drehte sich Sennar um. Nur Fetzen der Unterhaltung zweier Soldaten neben ihm waren an sein Ohr gedrungen, er hatte nicht darauf geachtet, worüber sie sprachen, doch diese letzten Worte machten ihn plötzlich hellhörig.
»Worüber sprecht ihr da? Was erhebt sich da wie Türme in der Ferne?«, fragte er aufgeregt. Als Nihal ihm das Heiligtum beschrieb, hatte das ganz ähnlich geklungen. Einer der Soldaten blickte ihn ein leicht erstaunt an. »Na, die beiden hohen Felsen draußen in der Lamar-Bucht, die Meridiane des Meeres, die Arshet-Klippen.« Das hörte sich sehr vielversprechend an. »Ich suche einen Ort, der ganz ähnlich aussehen muss, oder zumindest glaube ich das ... Genauer gesagt, könnten diese Arshet-Klippen etwas mit ›Felsnadeln‹ zu tun haben?«, fragte Sennar. Der Soldat lächelte: »Ja, meine Großmutter hat mir erzählt, arshet sei ein elfisches Wort und bedeute ›Felsnadel‹. Und in der Tat sind die Arshet-Klippen zwei riesengroße Felsen, hoch und spitz, und sehen aus wie Nadeln oder wie Fialen irgendeines prächtigen Palastes.«
»Tausend Dank!«, rief Sennar dem Soldaten noch zu, während er schon hinausrannte, um seinen jungen Ritter zu suchen.
5. Sarephen oder Vom Hass der Menschen
Nihal kam rasch wieder zu Kräften. Auch wenn sie es nie hätte zugeben wollen, sie hatte einfach Ruhe gebraucht. Jetzt spürte sie, wie sich ihr Körper erholte, ihre Muskeln die frühere Stärke zurückgewannen. Seit ihrer vorherigen Verwundung, damals durch Dola, hatte sie sich keine richtige Pause mehr gegönnt,
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