Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Das hätte mir oder auch dir genauso passieren können. Vergiss nicht, Laio hat dir das Leben gerettet.«
»Laio ist weder Krieger noch Magier. Es war von Anfang an ein Fehler, ihn mitzunehmen. Die Gefahr ist zu groß. Dies ist die letzte Gelegenheit, ihn vor dem Tod zu bewahren.«
»Aber ...«
»Was ist eigentlich in dich gefahren?«, fiel ihm Nihal ungehalten ins Wort. »Du und Laio habt euch doch nie ausstehen können. Glaubst du denn, das wäre mir entgangen? Also warum ist es dir plötzlich so wichtig, ihn mitzunehmen?«
Sennar wusste nicht, was er antworten sollte. Dabei war ihm klar, dass es zwar im Augenblick um den Knappen ging, Nihal das Gleiche aber auch eines Tages mit ihm selbst machen könnte. So saß er nur schweigend da, den Blick zu Boden gerichtet. »Mein Entschluss steht fest«, beendete Nihal die Diskussion.
Den ganzen Tag lang mied Sennar den Blick des Knappen. Es kam ihm so vor, als habe er einen Todeskandidaten vor sich, der von seinem Schicksal noch nichts wusste. Unterdessen schwelgte Laio in Erinnerungen an die im Hauptlager verbrachten Monate.
»Wie lange bleiben wir eigentlich?«, fragte er, nachdem er eine Anekdote zum Besten gegeben hatte, die sich um einen der häufigen Zornesausbrüche des Gnomen drehte und die vielsagenden Rauchwölkchen, die er dazu aus seiner Pfeife ausgestoßen hatte. »Drei Tage«, erklärte Nihal, und diese Worte besiegelten das Schicksal des jungen Knappen.
Als sie im Hauptlager eintrafen, war die Luft schon wärmer. Mehr als zwei Monate waren seit ihrem Aufbruch vergangen, und der Frühling war nun nicht mehr weit. Sie fanden alles so vor, wie sie es verlassen hatten: der Palisadenzaun ringsum, die Holzhütten in exakten Reihen, die weite Arena.
Die meisten kannten sie und jubelten, als sie die Abenteurer heimkehren sahen. Zu Nihals großer Überraschung waren unter denen, die ihren Knappen freudig begrüßten, nicht wenige junge Mädchen. Dass Laio ein Herzensbrecher sein könnte, ging über ihre Vorstellungskraft.
Nihal überließ den Jüngling seinen Bewunderinnen und drehte allein eine Runde durch das Lager. Dabei kam sie an der Unterkunft vorbei, die sie damals bewohnt hatte, als sie hier stationiert war, und dann auch an Idos Hütte. Wie hätte sie sich gefreut, ihrem Lehrmeister zu begegnen, doch mit Sicherheit befand sich der Gnom jetzt an der Front im Land des Wassers, wo die Lage noch kritischer war. Sie gelangte zur Arena, in der sie Oarf kennengelernt und mit ihm trainiert hatte und wo sie zum ersten Mal gegen Ido gekämpft hatte - und von ihm besiegt worden war. Schließlich kam sie auch zu der Stelle bei den Stallungen, wo sie an einem Nachmittag vor fast anderthalb Jahren Sennar verletzt hatte. Die Narbe auf der Wange des Magiers war jetzt nur noch im Gegenlicht zu erkennen. Aber sie war da und erinnerte daran, wie weh sie ihm getan hatte. Am Nachmittag suchte Nihal den Kommandanten auf und erkundigte sich, wie am besten die Front zu überwinden und die Grenze zu überschreiten sei.
Nelgar brütete eine ganze Weile über einer Karte. Sein gutmütiges Gesicht war ernst und konzentriert; wenn man ihn so sah, hätte niemand gedacht, dass dieser klein gewachsene, untersetzte Mann einer der mächtigsten Generäle des Heeres der Freien Länder war.
»Die einzige Möglichkeit sehe ich in den Sershet-Bergen«, erklärte er schließlich. Nihal seufzte. Da kamen sie gerade her.
»Die Gegend ist sehr, sehr unwegsam«, fuhr Nelgar fort. »Das heißt, dort werden sich nur wenige feindliche Soldaten aufhalten, und niemand wird euch bemerken. Es ist ein schwerer Aufstieg bis zum Pass, und dahinter befindet ihr euch dann im Feindesland«, fügte er hinzu. »Aber was willst du dort eigentlich?«, fragte er unvermittelt.
»Das darf ich Euch nicht sagen. Meine Mission ist geheim. Ich bitte Euch auch, Stillschweigen darüber zu bewahren, dass wir hier waren«, antwortete Nihal verlegen. »Und um einen weiteren Gefallen möchte ich Euch bitten.«
»Schieß los!«
»Ich werde heute Nacht aufbrechen, möchte aber nicht, dass Laio mitkommt. Das wäre einfach zu gefährlich für ihn. Ich bitte Euch: Hindert ihn daran, mir zu folgen, wenn er merkt, dass ich fort bin.«
»Wenn ich mich recht entsinne, war Laio doch immer auf Schritt und Tritt bei dir. Es wird nicht leicht sein, ihn aufzuhalten.«
»Wenn nötig, so sperrt ihn eben in eine Zelle«, antwortete sie. Nelgar starrte sie verblüfft an. »Ich will einfach nicht, dass ihm was passiert.«
Am Abend
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