Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
allerdings auch einige unschöne Begleiterscheinungen. Ido merkte es erst, als die zweite Phase der Auswahl begann und die ausgesuchten Schüler aufgerufen waren, gegen ihren Lehrer zu kämpfen. In Kampfmontur und mit dem langen Schwert an der Seite betrat der Gnom die Arena. Die Schüler, rund achtzig an der Zahl, hatten sich bereits versammelt. Es herrschte vollkommene Stille, und Ido wunderte sich darüber. Rasch ließ er den Blick über die Gesichter wandern und bemerkte nur verschüchterte Mienen.
Er stellte die Prüfungsmodalitäten vor und fügte noch die ein oder andere überflüssige Erklärung an, wobei er sich die ganze Zeit unwohl fühlte unter all den verschreckten Blicken, die auf ihn gerichtet waren.
Endlich kam er zur Sache.
»Du da, in der ersten Reihe, mit dir fangen wir an.«
»Mit mir?«, antwortete der Junge mit großen Augen.
»Ich glaube nicht, dass ich schiele, also ja, mit dir.«
Ido hatte sich einen schon recht erfahrenen Schüler ausgesucht. Es war ein großer Kerl mit schwarzem Haar und dunkler Haut, dem er schon einiges zutraute. Besser, mit einem Guten anzufangen, um das Eis zu brechen, hatte er sich gesagt.
Unsicheren Schritts trat der Junge auf ihn zu. Trotz seines gebräunten Gesichts sah man, dass er blass war.
Ido wusste nicht recht, wie er vorgehen sollte. »Aufstellung«, sagte er trocken. Der Junge gehorchte, wenig überzeugt, und als der Gnom angriff, schien er wie gelähmt: unkoordinierte Bewegungen, ungenaue Hiebe, zu späte Paraden, ein ganzer Katalog von Fechtfehlern, die dazu führten, dass sein Schwert schon nach wenigen Angriffen in den Sand flog.
»Was ist?«, rief Ido ungeduldig.
Der Junge stand in der Mitte der Arena und ließ die Arme hängen. Sein Blick wirkte panisch. »Vergebt mir ... ich ...«
Auch auf diese Distanz konnte Ido seine Angst riechen. Er hörte sogar sein Herz, das wie wahnsinnig schlug. Und er begann zu verstehen. »In Ordnung, noch mal von vorn. Du bist aufgeregt. Das habe ich nicht bedacht ...« Tatsächlich konnte er nicht fassen, was da los war, sah aber ein, dass es zu nichts führen würde, wenn er weiter den unnachgiebigen Lehrer spielte. »Bevor ihr jetzt alle bleich wie Leintücher vor mir antretet, sollten wir mal ein paar Dinge klären. Ich bin nicht hier, um irgendjemanden aufzufressen oder zu demütigen. Vergesst einfach, was ihr gestern in der Arena gesehen habt. Natürlich erwarte ich nicht von euch, dass ihr mich besiegt. Und dass ich euch nicht besiegen will, sollte auch klar sein. Bleibt also ganz ruhig und gebt euer Bestes. Verstanden?«
Das »Ja« der rund achtzigköpfigen Schülerschar war kaum zu verstehen. Ido stieß die Luft aus. Was hab ich mir da bloß aufgehalst... ? »So, jetzt los, heb dein Schwert auf und greif mich an. Ich warte.«
Der Junge nahm all seinen Mut zusammen, umfasste sein Schwert und begann anzugreifen. Ido seinerseits tat fast nichts, beschränkte sich nur darauf, fast lustlos Schlag auf Schlag zu parieren. Nach vielleicht zehn Minuten dieses müden, langweiligen Duells ließ er die Waffe sinken.
»Na, war das so furchtbar?«, fragte er und zwang sich zu einem Lächeln. Der Junge schien sich über die versöhnlichen Worte zu freuen und antwortete schüchtern lächelnd mit einem Nein, das sehr nach einem Seufzer der Erleichterung klang.
»Wunderbar. Der Nächste.«
Niemand rührte sich.
»Der Nächste, hab ich gesagt«, wiederholte der Gnom, jetzt fast streng. Ein hagerer Blonder trat vor, der aber, wie Ido wusste, sehr zäh sein konnte. Er war ihm schon in der ersten Auswahlrunde aufgefallen. Zwar war er kein begnadeter Fechter, dafür aber ein großer Kämpfer, der mit Leidenschaft und Entschlossenheit zur Sache ging. Mit konzentrierter Miene stellte sich der Junge zum Angriff auf. Ido lächelte: Endlich stand ihm jemand gegenüber, der wusste, worauf es ankam. Und so entwickelte sich ein Gefecht, bei dem Ido schon mehr auf seine Kosten kam und gar so etwas wie Stolz auf seine Lehrerrolle verspürte.
Rund drei Tage dauerten die Ausscheidungskämpfe, und schließlich hatte Ido seine Rekrutenschar beisammen, insgesamt rund hundertzwanzig Jungen, weniger als die Hälfte der Ausgangsgruppe.
Als er sie jedoch zum ersten Mal vor sich aufgereiht sah, verließ ihn etwas der Mut. Zwei Wochen gab man ihm, um aus diesen Burschen Krieger zu machen, eine Aufgabe, die kaum zu bewältigen war. Bei Nihal hatte er drei Monate gebraucht. Gewiss, sie hatte er zum Drachenritter ausbilden müssen, aber
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