Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
das unmöglich.«
»Du bist hier, um uns zu töten, nicht wahr?«, fragte Nihal.
»Ich möchte Laio nichts tun«, antwortete Vrasta ausweichend.
»Ach, ich kenne euch doch. Vor ungefähr drei Jahren«, begann Nihal zu erzählen, »drangen zwei deiner sauberen Kameraden in unser Haus ein und erschlugen meinen Vater, vor meinen Augen. Und man sah, dass es ihnen Vergnügen bereitete. Ich kann Mordlust erkennen und erblickte sie in ihren Gesichtern. Ihr seid alle gleich: Ihr liebt Blut.«
»Ich liebe überhaupt nichts. Ich möchte nur, dass es Laio gut geht.«
»Du hast es dir zunutze gemacht, dass Laio so unbedarft ist. Aber mich kannst du nicht hinters Licht führen. Ich bin ein Drachenritter, mit deinesgleichen habe ich genügend Erfahrungen gesammelt.«
»Warum hast du mich dann nicht getötet?«
Die Frage brachte Nihal aus dem Konzept. Es fiel ihr schwer, mit dieser Kreatur umzugehen. Sie spürte, dass sie den Fammin hasste, und doch hatte er etwas, das ihr selbst ähnlich war. Jedenfalls glich er nicht den Fammin, gegen die sie sonst kämpfte. »Ich bin anders als ihr«, antwortete sie schließlich. »Ich töte nicht aus reiner Mordlust.« »Du bist eine Halbelfe.« Nihal schrak zusammen. »Ich weiß das, weil sich viele Menschen damit brüsten, sie ausgerottet zu haben«, erklärte Vrasta.
»Ihr Fammin wart es doch, die sie töteten.«
»Nein, da irrst du dich«, antwortete Vrasta. »Viele Jahre sind seither vergangen, doch ein paar von denen, die an dem Massaker teilnahmen, leben noch und sind heute hohe Feldherrn. Und nicht selten habe ich mitbekommen, wie sie von Seferdi erzählten. Zahlreiche Städte im Land der Tage wurden von Fammin zerstört, doch Seferdi wollten die Menschen lieber selbst dem Erdboden gleichmachen.« »Du lügst«, stieß Nihal hervor.
»Sie schickten zwar einen Trupp Fammin in die Stadt, um Verwirrung zu stiften, doch die eigentlichen Täter waren fast alle Männer, unter ihnen auch viele Zauberer. Der letzte König der Halbelfen hatte nämlich alle Magier des Landes verwiesen, und nun gedachten sie sich zu rächen. Begleitet von den stärksten Kriegern, rückten sie in die Stadt ein und setzten das Massaker in Gang. Als dann schließlich alles vorbei war, belegte einer der mächtigsten Magier Seferdi mit einem Zauber, der dafür sorgte, dass die Gehenkten an den Galgen nicht verwesten und dieses Bild des Grauens erhalten blieb.«
Nihal zog ihr Schwert und richtete es auf ihn. »Nimm diese ganzen Lügen zurück!«, schrie sie.
»Es stimmt aber«, antwortete Vrasta ruhig. Nihal spürte, dass er keinerlei Angst vor dem Tod hatte. »Ja, wir töten, aber es sind Menschen, die es uns befehlen. Allein sind wir hilflos. Menschen befehlen uns, Städte auszulöschen, also tun wir es. Sie haben uns so geschaffen, dass wir das Töten lieben, also lieben wir es. Sie befehlen, und wir können uns nicht widersetzen.«
Nihal bebte vor Zorn, wusste aber, dass es die Wahrheit war. Auf den Schlachtfeldern hatte sie immer mit solchen Verrätern zu tun, hatte sie auch in dem Gasthaus erlebt, in dem sie vor einiger Zeit übernachtet hatten. Sie setzte dem Fammin die Klinge an die Kehle.
»Du kennst die Fammin nicht, sonst würdest du mir glauben«, fuhr Vrasta ruhig fort. »Es gibt auch Fammin, die gar nicht töten wollen. Die Menschen können sich das nicht erklären. Verirrte werden sie genannt. Sie reden von Gefühlen und davon, dass Töten Unrecht sei, und dergleichen mehr.«
»Solche Fammin gibt es nicht«, schnaubte Nihal, doch bereits während sie dies aussprach, beschlichen sie Zweifel. Denn so erklärten sich die Gefühle, die sie von den Fammin in den Zellen und auch von Vrasta ausgehen spürte. »Die Verirrten, so sagen sie, leiden beim Töten. Sie wollen es nicht, aber sie müssen, weil die Menschen es ihnen befehlen. Werden wir von einem Menschen beim Namen gerufen, spielt es keine Rolle mehr, was wir wollen oder empfinden.« Der Fammin hielt inne und dachte nach. »Ich weiß, dass ich Laio nicht töten will, mehr weiß ich auch nicht.«
»Gibt es denn viele Verirrte?«, wollte Nihal wissen.
»Noch nicht, aber ihre Zahl nimmt zu. Die Menschen hassen sie. Sie schicken sie in den Kampf und ergötzen sich an ihrem Leid, wenn sie sie beim Namen rufen und ihnen besonders grausame Befehle erteilen. Manche Verirrte lassen sich schließlich auch mit Absicht töten.«
»Bist du auch so ein Verirrter?«, fragte Nihal.
»Nein«, erklärte Vrasta, doch Nihal merkte, dass die Antwort
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