Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Magier verschwunden war, und als sie kein Geräusch mehr hörte, rief sie nach ihm, erhielt aber keine Antwort. »Sennar!«, rief sie noch einmal. »Sennar!«
In diesem Moment sah sie ihn aus dem Dickicht auftauchen. Sein Gesicht war ein wenig zerkratzt, und seine Hände waren gerötet von Schrammen, er hatte sie zu einer Schale zusammengelegt und presste etwas an die Brust.
Nihal lief ihm entgegen. »Darf man vielleicht mal erfahren, was du da treibst?«, fragte sie gereizt.
Sennar lächelte wieder und öffnete die Handflächen. Darin erblickte Nihal etwas Rotes. »Was hast du denn da?«
»Siehst du das nicht? Ist es schon so lange her, dass wir sie gemeinsam im Wald gesammelt haben?«, fragte Sennar. »Das sind Himbeeren.«
Diese Früchte riefen unzählige Erinnerungen bei ihr wach. Sie blickte Sennar an und meinte, ihn wieder so zu sehen, wie sie ihn kennengelernt hatte, bevor diese ganze Geschichte ihren Anfang nahm. Sie legte ihm eine Hand auf die Wange. »Ich möchte nicht, dass du dir noch mal für mich wehtust ...«, sagte sie, während sie ihm über einen Kratzer streichelte, und umarmte ihn dann.
Sie machten es sich bequem, um die Himbeeren zu genießen. Während ihr betörend süßer und gleichzeitig ein wenig säuerlicher Geschmack seinen Mund füllte, fühlte sich Sennar erstmals seit langer Zeit wieder etwas unbeschwerter. Er hatte die Hoffnung verloren und war ganz in seinem Schmerz versunken, doch nun spürte er, dass es an der Zeit war, wieder daraus aufzutauchen und sich an das Ziel ihrer Mission zu erinnern.
Die Welt, in die er hineingeboren war, war alles andere als perfekt - genauso wenig wie er selbst, vor allem jetzt, nach dem, was er getan hatte. Und doch gab es immer irgendwelche Ideale oder Personen, für die es sich zu kämpfen lohnte, die es nicht verdient hatten, einfach ausgelöscht zu werden. Er durfte nicht noch einmal zulassen, dass ihn der Hass überwältigte, durfte sein Vertrauen nicht verlieren und niemals aufgeben. Wenn sie nur fest genug daran glaubten, würde es ihnen vielleicht gelingen, aus den Trümmern eine neue Zeit erstehen zu lassen.
Er betrachtete Nihal, die schweigend ihre Himbeeren aß.
»Du darfst den Mut nicht sinken lassen«, sagte er ganz unvermittelt. »Es ist eine schwere Zeit, aber wenn auch wir uns der Verzweiflung ergeben, ist alles aus.«
Nihal hörte auf zu essen. »Ich kann gar nicht anders, als ständig an Laio zu denken, an all das, was wir zusammen erlebt haben. Ich vermisse ihn so ...«
Sennar blickte zu Boden. »Laio hat sein Ziel erreicht, bevor er gestorben ist. Er hat dich beschützt, hat seine Angst besiegt und ist zum Krieger geworden.« Er hob den Blick zu ihr. »Wir müssen unseren Weg weitergehen und den Schmerz annehmen, vor allem ihm zuliebe. Als du Thoolan nicht nachgabst, hast du eine Entscheidung getroffen, du hast dich für das Leben entschieden. Lass diese Entscheidung nicht unnütz sein.« Nun erzählte Nihal dem Zauberer, wie sie Vrasta getötet hatte, und von dem Kampf gegen die Fammin vor ihrem Eintritt in Goriars Heiligtum. »Ich habe es so satt, das ganze Blut, den Krieg, den Tod. Ich habe es satt, zu töten«, schloss sie, und ihre Stimme klang ein wenig gelöster.
Sennar wandte den Blick von ihr ab und schaute wieder zu Boden. Nihal beobachtete ihn besorgt, dann senkte auch sie den Blick. »Wäre es nicht so tragisch, könnte man es fast komisch nennen ...«, murmelte der Magier.
»Was denn?«
Sennar schaute auf. »Als ich mit Laio auf dieser Lichtung kämpfte, habe ich einen Mann getötet und die Fammin, die bei ihm waren.« Er zögerte. »Und zwar mit einem verbotenen Zauber.« Ruckartig hob Nihal den Kopf. »Das aber nicht nur, um uns zu verteidigen, sondern auch aus dem Verlangen heraus zu töten, weil ich mir wünschte, dass nichts von ihnen übrig bleiben sollte.«
Voller Zorn, aber auch mit einer gewissen düsteren Ruhe sprach er diese Worte. Er wusste, dass Nihal ihn verstand, dass sie seinen Schmerz teilte. »Und so habe ich, wie du siehst, während du den Abscheu vor dem Töten entdecktest, Lust daran erfahren«, schloss der Magier mit einem traurigen Lächeln.
Nihal blickte ihn wortlos an.
»Jetzt bin ich also auch ein Mörder, aber das soll mich nicht daran hindern, meinen Weg zu gehen, solange es noch jemanden gibt, der mich braucht.«
Seine Worte verklangen an Nihals Schulter, die ihn umarmt hatte und fest an sich drückte.
Sennar erwiderte die Umarmung, streichelte ihren Rücken, folgte der
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