Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
ein Stück von ihm ab. Sie sah, wie er die Augen zusammenkniff. Die tiefe Abneigung in ihrer Stimme war ihm anscheinend nicht entgangen.
Sie mussten nicht lange auf den uneingeschränkten Herrscher der Wasserstadt warten. Die Ankunft des Schiffes war dem Wächter auf dem Turm natürlich nicht entgangen, und so hatte sich der Narbige bereits auf den Weg gemacht. Lässig betrat er die Höhle, und obwohl er die Gräfin nur mit einem raschen Blick streifte und dann sogleich auf Karkoloh zutrat, um ihn zu begrüßen, war es der jungen Frau, als schnüre eine unsichtbare Macht ihren Brustkorb ein. Auch Refos erhob sich und trat auf den Narbigen zu. Lamina spürte seine Anspannung.
Er hat Angst, dachte sie verwundert.
Mit zitternden Händen nahm sie ein Stück Honigkuchen vom Teller auf dem Tisch neben ihr und biss ein Stück ab. Sie tat so, als würde sie die Männer nicht beachten, doch ihre Sinne waren geschärft, jedes gesprochene Wort einzufangen.
Der Narbige, der sehr nachlässig gekleidet war, erkundigte sich höflich über den Verlauf der Fahrt und hörte darin Karkoloh zu, der ankündigte, hier zwei Tage vor Anker zu liegen, um Lebensmittel und Wasser zu bunkern und die Kisten zu laden, die er für den großen Meister nach Süden bringen sollte.
Der Narbige zog eine Karte aus der Tasche seiner smaragdgrünen Pluderhose und breitete sie auf einem der Tischchen aus. Er beugte sich mit dem Kapitän über das Blatt und zeichnete eine Route mit dem Finger nach. Lamina konnte nichts erkennen, doch sie verstand die Worte:
»Hier in dieser Bucht werden Astorins Männer mit ihrer Karawane auf Euch warten.«
Mit einem Händedruck wurde das Geschäft besiegelt, ein offensichtlich schwerer Beutel wechselte den Besitzer. Karkoloh beugte noch einmal das Haupt und verließ dann die Höhle, den Lederbeutel mit den klingenden Münzen in seiner Hand.
Nun wandte sich der Narbige Refos zu. »Und?«, sagte er nur und zog eine Augenbraue hoch.
Lamina sah, wie der Magier schwitzte.
»Es ist alles glatt gegangen«, beeilte sich Refos zu sagen und rieb sich mit hektischen Bewegungen die Hände. »Hier ist sie, unversehrt. Ich habe über sie gewacht, damit ihr keiner zu nahe kommt.«
Mit einer weit ausladenden Geste zeigte der Magier auf die Gräfin, doch der Narbige verschwendete nur einen uninteressierten Blick.
»Alles glatt gegangen?«, wiederholte er. »Ihr seid auf keinen Widerstand gestoßen und habt auch keine Spuren hinterlassen?«
Nervös fuhr sich Refos mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ja, also, ein paar Männer hat Karkoloh verloren«, gab er widerstrebend zu.
Die Stimme des Narbigen klang freundlich, doch weder Refos noch Lamina ließen sich davon täuschen.
»Gegen ein paar Knechte und Kaufmannssöhne? Wie konnte denn das geschehen?«
»Nun«, stotterte der Magier, »es kamen ein paar Fremde dazu, und ich wollte nichts riskieren, daher habe ich die Gräfin sofort an Bord gebracht, während die Männer uns den Rücken freihielten.«
»Ihr habt diese Schurken dann sicher zur Rechenschaft gezogen und die Leichen von Karkolohs Leuten der See übergeben«, säuselte der Narbige.
Refos wand sich. »Wir mussten die Anker lichten. Die Flut kam, und es war ohnehin zu spät, die Männer zu retten. Sie waren bereits tot.«
»Soso, dann hoffe ich nur, dass Ihr Recht habt. Ich halte nicht viel davon, Gefangene zurückzulassen, die bei einem Verhör Dinge preisgeben können, die niemand wissen soll.« Seine Stimme war nun so schneidend, dass nicht nur Refos zusammenzuckte. »Unter diesen Umständen kann ich Euch natürlich den versprochenen Lohn nicht auszahlen«, sagte er und lächelte hämisch. Er griff in einen zweiten Beutel, den er am Gürtel trug, öffnete ihn und nahm dann drei Goldstücke heraus, die er Refos in die Hand drückte. Dieser lief rot an vor Wut, er wehrte sich aber nicht.
»Ich brauche noch zwei Luftblasen, dann könnt Ihr Euch zurückziehen, um Euch von Eurer Reise zu erholen«, fügte der Narbige hinzu, und nicht nur der Gräfin war klar, dassdies keine freundliche Einladung, sondern ein Befehl war. Mit zusammengepressten Lippen verließ Refos die Höhle und ließ die junge Frau mit dem Narbigen allein zurück. Nun endlich hob er den Blick und sah die Gräfin durchdringend an. Die kalten blauen Augen schienen sie zu durchbohren, und sie fühlte sich seltsam nackt. Nach einer Ewigkeit unerträglicher Stille hob er die Hand und sagte:
»Komm mit.«
Lamina erhob sich und widerstand dem
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