Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
kleine Frau zurückkehrte. Sie warf ihr ein rotes Hemd, eine halblange Hose und ausgetretene Schlupfschuhe zu und band ihr dann eine gelbe Schärpe um die Hüften. Zum Schluss steckte sie ihr noch einen kleinen Dolch mit einem speckigen Griff in den Gürtel.
»So, fertig.« Tara trat zurück und betrachtete kritisch ihr Werk. »Du bist richtig hübsch, vor allem mit diesem Zorn in deinen Augen. Doch ich kann dich nur warnen: Hüte dich vor dem Narbigen. Am besten ist es, wenn er vergisst, dass du überhaupt noch hier bist. Du musst lernen, deine Wut zu zähmen. Vielleicht wird der Tag deiner Rache kommen, irgendwann, aber du musst Geduld haben.«
Die beiden Frauen gingen in die große Küche hinüber. Niemand störte sie in der behaglichen Wärme. Tara kochte und erzählte Lamina von Ehniport. Später schlief die Gräfin zusammengerollt auf einer Decke, die an der Wand auf dem Boden lag, denn sie wollte nicht allein in Taras Kammer hinüber. Hier fühlte sie sich sicherer, und so schlief sie friedlich, während Tara hin und her huschte, um für zwanzig hungrige Männer ein Mahl zuzubereiten.
13
Die Stadt im Meer
D ie Gefährten waren in den vergangenen Tagen gut vorangekommen. Sie gönnten sich und ihren Pferden nur die notwendigsten Pausen, denn die Zeit drängte. Jeder Tag, den die Gräfin länger in Gefangenschaft war, musste eine Qual für sie sein. Je weiter sie jedoch nach Norden vordrangen, desto drängender wurden die unbeantworteten Fragen: Wie sollten sie das Piratennest finden und wie Lamina aus der Gewalt ihrer Entführer befreien? Sie schmiedeten Pläne und verwarfen sie wieder, und über allem schwebte die bangste aller Fragen, die sie nicht auszusprechen wagten: War die Gräfin überhaupt noch am Leben?
Lahryn ritt mit Vlaros am Schluss und erklärte ihm wortreich einen schwierigen, doch bei dieser Unternehmung vielleicht recht nützlichen Zauberspruch. Seit Tagen ging das nun schon so, und dem jungen Mann, den der harte Ritt mehr anstrengte, als er zuzugeben bereit war, fiel es immer schwerer, sich auf Lahryns Worte zu konzentrieren.
Wenn sie abends rasteten, ließ Lahryn Vlaros nur Zeit, sein Mahl zu verschlingen, dann schleppte er ihn unerbittlich mit sich fort und ließ ihn das üben, was er ihm am Tag erklärt hatte. Heute ritten sie bis nach Sonnenuntergang. Endlich erreichten sie einen kleinen Hain, der für ein Nachtlager geeignet schien. Die Pferde waren rasch abgesattelt und von ihren Lasten befreit. Bald flackerte ein kleines Lagerfeuer, an dem Ibis und Thunin das Abendessenvorbereiteten. Vlaros warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Reste des Rehs, das Ibis gestern erbeutet hatte, aber Lahryn erhob sich und winkte dem jungen Mann, ihm zu folgen.
»Auf, komm! Ich habe etwas ganz Besonderes mit dir vor.«
Vlaros stöhnte. »Ich habe den ganzen Tag im Sattel gesessen und auch die Tage vorher. Ich kann nicht mehr.«
Der alte Magier runzelte die Stirn. »Sagst du das dann auch zu deinem Angreifer? ›Ich bitte dich, komm wieder, wenn ich geruht habe, denn im Augenblick bin ich zu müde, mit dir zu kämpfen‹?«
Ibis kicherte, sagte aber nichts. Widerwille kroch in Vlaros hoch, doch er folgte seinem Lehrer, auch wenn er noch immer leise vor sich hin murrte. In einiger Entfernung blieb Lahryn stehen.
»Ich spreche dir die Worte langsam vor und zeige dir die Handbewegungen, damit du sie nachmachen kannst. Das Schwierige an diesem Spruch ist allerdings, dass du all deinen Willen und deine Kraft konzentrieren und auf einen Punkt bündeln musst.«
Es war nicht einfach, und immer wieder verhaspelte sich Vlaros oder schaffte es nicht, die Gesten sauber zu wiederholen. Mit ruhiger Stimme korrigierte ihn der alte Magier. Endlich war er zufrieden und forderte seinen Schüler auf, den Zauber zu wagen.
»Nimm dir den Baum dort als Ziel«, riet er und zeigte auf eine vom Sturm geknickte Tanne.
Vlaros sprach die Worte aus und bewegte die Hände dazu, doch nichts geschah.
»Versuch es noch einmal.«
Doch wieder tat sich nichts. Frustriert ließ der junge Mann die Arme hängen.
»Ich kann es nicht. Ich bin zu ungeschickt und lerne nicht schnell genug, und außerdem bin ich viel zu erschöpft.« Sehnsüchtig sah er zum Feuer hinüber, von dem ein herrlicher Geruch herüberwehte. Die anderen saßen dort gemütlich, ruhten sich aus und stärkten sich.
»Du versuchst es jetzt noch einmal, und konzentriere dich!« Lahryns Tonfall war nun der eines gestrengen Lehrers. »Der Zauber wird nie
Weitere Kostenlose Bücher