Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
gelingen, wenn du mit deinen Gedanken beim Lagerfeuer weilst.«
Vlaros seufzte. Er schloss die Augen und versuchte all seine Gedanken und Kräfte in sich zu sammeln. Im Geist ging er noch einmal die Worte und Gesten durch, dann öffnete er die Augen und fixierte den geknickten Baum. Langsam hob er die Hände. Seine Stimme klang tiefer, als er die beschwörenden Worte aussprach und die Zeichen in die Luft malte. Er spürte, wie seine Finger zu glühen begannen, fühlte die Kraft in sich. Plötzlich flimmerte es vor seinen Händen bläulich, die Luft knisterte und vibrierte, und dann schoss ein Blitzstrahl aus den Fingerspitzen hervor, spannte einen hohen Bogen durch die Nacht und fuhr mit einem Zischen in das tote Holz. Ein Knallen und Bersten ließ die Freunde am Lagerfeuer auffahren. Erschreckt sahen sie den Baum an, aus dem nun meterhohe Flammen schlugen, die erst erloschen, als Lahryn einen Eisregen über ihnen niedergehen ließ.
Erst starrte Vlaros den Baum nur fassungslos an, dann glitt ein Strahlen über sein Gesicht. Er hatte es geschafft!
Am liebsten hätte er den Baum gleich noch einmal in Brand gesetzt, doch Lahryn gebot ihm Einhalt und schritt stattdessen zum Lagerfeuer hinüber, um sich über sein Abendessen herzumachen. Auch Vlaros sprach dem Braten zu, obwohl er Fleisch sonst eher verschmähte, dann rollte er sich in seine Decke und fiel in tiefen Schlaf, der von beglückenden Träumen begleitet wurde. Dennoch fiel es ihm am anderen Morgen schwer, wieder in den Sattel zu steigen, und er war froh, dass Lahryn den ganzen Vormittag über schwieg.
Die Freunde ritten Stunde um Stunde in strengem Tempo, immer der Küstenebene nach Norden folgend. Das Land war baumlos, karg und trocken, und erst am Mittag zeigte sich am Horizont wieder ein Streifen Grün. Vom Staub durstig geworden, strebten sie darauf zu und erreichten am Nachmittag einen breiten Fluss. Er sprang wild von den spitzen Gebirgsgraten im Westen herab, floss danach in der Ebene nur noch träge dahin und bahnte sich in majestätischen Schwüngen seinen Weg, bis er sich am Strand mit den schäumenden Wellen des Meeres mischte.
Die Freunde mussten eine ganze Weile flussaufwärts reiten, bis sie an eine Furt kamen, an der sie das breite Gewässer gefahrlos überqueren konnten. Als sie das andere Ufer erreichten, zügelte Rolana entzückt ihre Stute, um die bezaubernde Landschaft zu betrachten, die sich vor ihnen ausbreitete. Mächtige Weiden säumten das klare Wasser, alte Flussschleifen bildeten grünliche Seen, die mit ihrem dichten Schilf der Anziehungspunkt ganzer Vogelschwärme waren. Ihr Gezwitscher erfüllte die von der späten Sonne durchflutete Luft. Eine Sandbank ragte in die Flussschlingeund lud zum Verweilen ein. Vlaros, der sich wieder einmal verstohlen sein schmerzendes Hinterteil rieb, betrachtete sehnsüchtig das paradiesische Plätzchen.
»Wir sollten den Pferden und uns eine Rast gönnen«, schlug Lahryn vor, denn bis auf die beiden Elben waren alle von der Anstrengung der letzten Tage gezeichnet. Die anderen nickten. Steifbeinig ließ sich der Magier vom Pferd gleiten und setzte sich in den weichen Sand. Seradir bot an, für ein Nachtmahl zu sorgen, und zog mit Ibis zusammen davon. Cay sammelte Feuerholz, während sich die anderen faul im warmen Sand ausstreckten. Thunin bastelte sich eine Angel, befestigte sie am Ufer, legte sich auf dem Bauch daneben und blinzelte schläfrig in das träge dahinfließende Wasser.
Das Abendessen fiel an diesem Tag reichlich aus. Thunin zog zwei fette Brocken aus dem Wasser, und die Elben kamen mit einem Hasen und zwei Rebhühnern zurück. Gemütlich schmausten die Freunde, während die Sonne tiefer sank und die Vögel ihr Abendlied anstimmten. Es war ein heißer Tag gewesen, und die abendliche Kühle wurde freudig begrüßt.
Im rötlichen Schein wanderte Rolana ein Stück vom Lager weg. Ein kleiner Teich mit schimmernd klarem Wasser lockte sie, am Ufer entlangzuwandern. Die junge Frau war vom langen Ritt verschwitzt und sehnte sich nach einem erfrischenden Bad. Suchend blickte sie sich um, doch es war niemand zu sehen. Sie legte ihre Kleider ab und ließ sich in das erfrischende Wasser gleiten. Zufrieden summte sie vor sich hin.
Auch Cay hatte das Lager verlassen. Er lief barfuß durch das kühle Gras und genoss es, der Natur so nahe zu sein. Er legte sein Hemd ab, um den sanften Wind auf seiner Haut spüren zu können, atmete die laue Luft ein und lauschte dem Wispern der Bäume.
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