Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
uns mal zu Mykinas Gemächern aufmachen.«
Leise schlichen sie die Treppe hoch und folgten dann einem breiten Korridor. Je näher sie dem kleinen angekreuzten Quadrat kamen, das auf der Karte Mykinas Gemach bezeichnete, desto langsamer tasteten sie sich voran. Die Elbe übernahm wieder die Führung und suchte ihren Weg nach Fallen ab. Nichts rührte sich, doch es war den Freunden, als könnten sie die Spannung in der Luft fühlen.
Vorsichtig näherten sie sich der Tür am Ende des Gangs. Sie war nur angelehnt. Ibis betrachtete sie genau und schob sie dann auf. Ihr Blick wanderte durch den Vorraum, huschte über die eisernen Fackelhalter an der Wand und blieb dann nachdenklich an zwei Rüstungen hängen, die die Tür in der gegenüberliegenden Wand bewachten. Cay trat neugierig zu ihr. Als seine Stiefelspitze die Schwelle berührte, flammten die Fackeln an den Wänden auf und tauchten den Vorraum in gleißende Helligkeit. Erschreckt fuhr Cay zurück und stieß hart mit dem Zwerg hinter sich zusammen. Rasch zogen sich die Freunde ein Stück in den Gang zurück und spähten aufmerksam in alle Richtungen, doch nichts geschah. Ibis schimpfte leise über große, tollpatschige Menschen, dann huschte sie in den Vorraum und blieb einige Schritte vor den Rüstungen stehen.
»Die Burschen gefallen mir nicht«, murmelte sie und schlüpfte zwischen der rechten Rüstung und der Wand hindurch. Langsam rutschte sie zur Tür hinüber und tastete nach der Klinke, ohne jedoch die Rüstungen aus den Augen zu lassen. Ein kleines Flämmchen zischte blau auf, die Visiere der Helme öffneten sich einen Zoll. Ibis warf sich zur Seite, und schon schossen zwei gefiederte Pfeile aus den Rüstungen hervor und bohrten sich nahe der Klinke ins Holz.
»Bestimmt vergiftet«, meinte die Elbe heiter und zog eine Sammlung von Haken und Nadeln aus der Tasche. Noch einmal berührte sie die Klinke und duckte sich unter den Pfeilen hindurch, doch dann schienen die Helme leer zu sein. Die anderen konnten nicht sehen, was sie tat, aber schon nach wenigen Augenblicken klickte die Tür und sprang auf. Ibis verbeugte sich spielerisch und winkte die Freunde heran. Als sie eintraten, entzündeten sich die Kerzen eines mächtigen Kronleuchters. Ibis ließ den Blick durch das prächtige Gemach schweifen und stieß einen überraschten Pfiff aus.
»Die Dame hat einen ganz schön aufwendigen Geschmack.«
Bewundernd betrachtete sie die bestickten Teppiche und hohen Spiegel an den Wänden, das riesige, mit rotem Samt verhängte Himmelbett, die zierlichen Möbel mit kunstvollen Intarsien und die vergoldeten Kerzenleuchter. An der linken Wand führte ein Torbogen in ein angrenzendes Zimmer. Thunin trat darauf zu, um einen Blick in den Nachbarraum zu werfen, doch als er den Kopf durch die Öffnung strecken wollte, bekam er einen so heftigen Schlag auf die Nase, dass er nach hinten fiel und verdutzt auf dem Boden sitzen blieb. Ibis eilte herbei, um zu sehen, was Thunin aufgehalten hatte, doch sie konnte nichts entdecken. Langsamnäherte sie ihr Gesicht der Öffnung, doch auch ihr ging es kaum besser, nur dass der Schlag nicht so hart ausfiel. Stirnrunzelnd streckte sie die Hände aus, sie ertastete jedoch nur festen Stein.
Nun eilte Vlaros herbei, um die Barriere zu untersuchen, doch in diesem Moment trat auch Cay heran. Der Umhang des Magiers verhakte sich in Cays Schwertknauf, Vlaros stolperte, fiel gegen einen der Wandteppiche – und verschwand. Sprachlos starrten sich die anderen an. Plötzlich hörten sie seine Stimme, als stehe er noch immer neben ihnen.
»Das ist ja fantastisch«, sagte er voll Staunen. »Die perfekte Illusion.«
»Vlaros?«, rief Rolana.
»Ihr müsst durch den Wandteppich gehen«, antwortete er. »Der Torbogen ist durch eine magische Illusion einfach verschoben.«
Rolana streckte ihre Hände aus und ging zaghaft auf den Wandteppich zu. Jetzt müssten ihre Finger den weichen Flor berühren, doch sie spürte nichts. Sie ging noch einen Schritt weiter, und plötzlich waren ihre Arme verschwunden. Beherzt trat sie durch die Illusionswand und stand dann neben Vlaros auf der anderen Seite. Während die anderen durch die Wand kamen, sah sich Rolana rasch um.
Sie standen in einem lang gezogenen Raum, dessen Decke von sechs schlanken Säulen getragen wurde. Zwischen ihnen standen vier Rüstungen, die Visiere auf die Raummitte gerichtet. In einer Mauernische entdeckte Rolana eine große hölzerne Truhe und hinten an der Wand einen fast sechs Fuß
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