Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
auf ihn zu gerannt und noch bevor er reagieren konnte, zerrte ihn eine Kriegerin, deren Oberkörper in einem Harnisch steckte und die einen Speer in ihrer linken Hand hielt und ein Schwert über ihren Rücken geschnallt hatte, wenig sanft mit sich. Als er sich sein Schwert um die Hüfte legen wollte, machte sie eine abwertende Geste und zog ihn weiter. Sie sagte etwas in der alten Sprache, das Staer’cui nicht verstand, doch ihm wurde bald klar, dass sie ihn zum Turm bringen wollte. Letztendlich war er froh, denn in der Dunkelheit hätte er den Weg durch das Getümmel kaum gefunden. Sie kamen schließlich an der großen Treppe an, die zum Tor des Turmes führte, Staer’cui blies dabei große weiße Atemwolken in die Luft aus, während seine Führerin keine schnellere Atemfrequenz aufzuweisen schien. Sobald sie ihn abgeliefert hatte, lief sie ins Dunkel davon. Staer’cui passierte die beiden Torwächterinnen und lief die von Fackeln beleuchtete Steintreppe hinauf. An verschiedenen Stellen kam er an Türen vorbei, die Kammern in den einzelnen Etagen verbargen und an anderen Stellen sah er durch Öffnungen im Stein auf eine dunkle, sternenreiche Nacht hinaus. Mehrere Lichter eilten über den Boden, wohl Kriegerinnen, die mit Fackeln durch den Wald liefen.
Staer’cui eilte die Stufen weiter hoch, bis er an die Holztür kam, die auf die Turmspitze führte. Er lief zu den Zinnen hinüber, um einen Blick auf das Geschehen werfen zu können. Dabei rannte er fast in Daaria hinein, die mitten auf der Balustrade stand. Als sie sich erkannten, umarmten sie sich. Nod sagte: „Ich dachte schon, ich würde dich hier nicht finden.“ Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn an den Rand, von wo aus sie trotz der Dunkelheit einen guten Blick auf das Geschehen, das sich vor ihren Augen abspielte, hatten.
„Hal’feira hat mich hierher geschickt und gesagt, dass du auch bald kommen würdest.“
„Was passiert hier?“
„Die Daei’i haben einen Arshak gesichtet. Er kommt auf diesen Bereich des Lagers zu.“
Kaum hatte Daaria diese Worte ausgesprochen, da hörte Staer’cui auch schon ein lautes Krachen. Noch konnte er nichts erkennen, aber das Geräusch ähnelte brechendem Geäst. Unten schwirrten vereinzelte Lichter über den Boden, verschwanden im Schatten der Bäume und tauchten wieder auf. Beim nächsten donnernden Krachen konnte Staer‘cui die ungefähre Richtung, aus der die Geräusche kamen, ausmachen. Und dann hörte er einen unmenschlichen Schrei. Der Ton, der sich über den Wald ergoss, war am ehesten mit dem Krächzen einer Krähe im kalten Winter zu vergleichen, gleichzeitig war er aber voller, menschlicher und bedrohlicher. Er widerstand dem Reflex, sich die Ohren zuzuhalten. Dann sah er einen Schatten. Am Anfang dachte er, dass er sich vertan haben musste, dass dort eine besonders hohe Tanne stünde, an der Stelle, von der der Schrei ertönt war. Aber Tannen bewegten sich nicht. Und dieser Schatten wurde größer, er kam genau auf den Turm zu. Staer’cui hatte nie daran gezweifelt, dass er auf dem Turm sicher sein würde, als er aber die langsam vom Hintergrund deutlicher umrissene Gestalt auf sich zukommen sah, schreckte er intuitiv zurück. Daaria schien es ähnlich zu gehen. Sie klammerte sich an Staer’cuis Körper fest.
Dann, mit einem Male, kam der Mond hinter den Wolken hervor und der Dämon, der keine hundert Meter entfernt vor ihnen stand, wurde in seinem ganzen Schrecken sichtbar. Seine Gestalt ähnelte die eines Menschen, nur dass er keine Kleidung trug, sondern seine Haut von dachziegelgroßen, schwarzen Schuppen bedeckt war. Neben dem Arm- und Beinpaar, die im Gegensatz zur menschlichen Rasse in einem seltsamen Missverhältnis standen, da die Beine kürzer schienen, ragte ein dunkel glänzender Schwanz aus der Mitte zwischen Becken und Rücken hervor. Das Wesen hatte einen überdimensionierten Kopf, der echsenhaft geformt, doch mit menschlichen Gesichtsformen versehen war. Auch hier war die Haut schwarz und schuppig. Der Mund war breit und groß und die Enden seiner Lippen waren nach oben gezogen, so dass es schien als würde er lächeln. Über dem Dunkel seines Rachens blitzten scharfe, spitz geformte Zähne hervor und eine große Zunge schoss unvermittelt aus dem Mund heraus, als wolle er seine Umgebung in seinen Schlund ziehen. Das Lächeln wurde aber von dem furchtbaren, hasserfüllten Ausdruck in seinen Augen konterkariert. Alles Böse dieser Welt schien sich in dem Blick des Arshaks zu
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