Die Drachenperle (German Edition)
Taiki schaute ihn ernst an.
„Hast du etwa die Rolle gelesen? Bist du verrückt, das ist streng verboten. Ich musste mich verpflichten, dass niemand sie in die Hände bekommt. Dafür haben sie mich gut bezahlt.“
„Tarmin, du weißt ja nicht, mit was für Leuten du dich eingelassen hast. Hör dir den letzten Satz an: …und töte den Überbringer dieser Nachricht und auch seine Begleiter, es könnte sein, dass sie mittlerweile Verdacht geschöpft haben.“
Tarmin und Taiki waren nun gleichermaßen blass.
„Ich muss sofort zurück. Sedra und der Junge, bei allen Flussgöttern! Leral und Benno. Sie sind ahnungslos. Was habe ich nur getan?“
„Ich begleite dich, Tarmin.“
„Oh nein, du bist doch gerade erst deinen Schwierigkeiten entkommen, Taiki. Geh du den Weg, den wir dir beschrieben haben. Hier trennen sich unsere Wege. Die Götter seien mit dir, mein junger Freund. Ich werde die Kisten im Fluss versenken und ein neues Leben anfangen. Hier sind meine Leute und ich nie wieder sicher.“
Tarmin und Taiki umarmten sich kurz, aber herzlich.
„Ich schulde dir was, Taiki. Sollten wir uns je wieder begegnen, dann hast du bei mir einen Wunsch frei. Und nun: Lebe wohl!“
Tarmin humpelte so schnell wie möglich davon. Taiki schaute ihm noch lange hinterher.
Kapitel 4: Im Haus der Ältesten des Hohen Rates
Der hochgewachsene Mann im Gewand eines Mitglieds des Hohen Rates der Heilergilde lief aufgebracht vor der alten Frau hin und her. Sie trug die Insignien der Ersten des Ältestenrates, der bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hatte.
„Mareika, du musst endlich Vernunft annehmen! Du wartest auf ein Hirngespinst und uns läuft deswegen die Zeit davon. In vier Wochen schon ist die Erhebung der Adepten in den Stand der Jung-Heiler. Außerdem muss der Oberste Lehrer beim Sommerfest den neuen Meisterschüler ernennen, damit seine Nachfolge gewährleistet ist und du hast immer noch nicht deine Macht auf Sina übertragen!“
„Das werde ich auch nicht tun. Sina ist ein liebes Mädchen, aber unfähig als Messerh eilerin und vor allem hat sie nicht die besondere Gabe, die ein Geistheiler in sich haben muss. Sie ist für beide Heilerfamilien kein großer Gewinn. Außer Sina ist auch niemand anderer im richtigen Alter aus dieser Familie. Was Ihr im Übrigen selber wisst, ihr vom Hohen Rat wollt es nur nicht öffentlich zugeben.“
Rodovan wandte sich zu seinem Begleiter um. „Ulf! Sag du doch auch mal was.“ Er stand von seinem Stuhl auf und ging an s Fenster und schaute den Wolken nach, um seine Gedanken neu zu ordnen.
„Was soll ich denn noch sagen, Rodovan? Wir reden seit einer Stunde auf sie ein. Mareika, wenn du willst, dass ich vor dir niederknie und dich anflehe, dann tue ich das. Aber wenn du weiterhin ein Phantom als Leiter des Tempels in deine Geistheilermacht einweihen willst, dann kann ich nicht umhin anzunehmen, dass du unter Altersstarrsinn leidest! Oder gar unter Wahnvorstellungen! Bei allen Göttern, du hast im Traum deinen Urenkel gesehen! Und wenn schon. Nichts als Wunschdenken!“
Ulf hatte mittlerweile vor lauter Frust und Zorn eine geschwollene Ader an der Stirn. Sein breiter Brustkorb hob und senkte sich , als hätte er schwere Arbeit verrichtet, und hässliche Schwitzflecken breiteten sich auf seiner kostbaren Kleidung aus.
Mareika, die gelassen und hoheitsvoll in ihrem hohen Lehnstuhl saß, lächelte maliziös und fragte, ob die Herren vielleicht eine Tasse Lavendelmelissentee zu sich nehmen wollen? Es gäbe doch nun wirklich keinen Grund , sich dermaßen aufzuregen und sie anzuschreien.
„Gerade du, mein werter Ulf, solltest an dein strapaziertes Herz und deine Gesundheit denken.“
Rodovan verließ seinen Fensterplatz, von wo aus er den Blick auf die von Laternen beleuchtete Stadt genießen konnte, und ging rasch die paar Schritte zu der Ersten des Ältestenrates hinüber.
„Ich bitte dich inständig, Mareika. Verzichte auf das Recht der Erbfolge. Wir wissen alle, dass euer Familienzweig seit Jahrhunderten die Tempelschule mit Größe und Bravour leitet. Ihr seid immer die besten Heiler gewesen, niemand der anderen Seite konnte euch das Wasser reichen, was die mentalen und spirituellen Kräfte angeht. Aber sieh den Tatsachen doch bitte ins Auge: D eine Tochter Lydia webt meisterlich die schönsten Stoffe weit und breit, aber sie hat nicht die Gabe , nicht im Geringsten. Deine Enkeltochter Aurelia hatte die Gabe, aber sie ist tot! Sie kommt nie mehr
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