Die Drachenreiter von Pern 14 - Drachenauge
Halle.
»Schauen Sie sich doch nur die buschigen Augenbrauen an«, erwiderte M'shall grinsend. »Die Familienähnlichkeit ist unverkennbar. Wo hatten Sie sich versteckt, Vergerin?«
»M'shall?« Ein Lächeln stahl sich über Vergerins wind- und wettergegerbtes Antlitz. Seine Züge glichen denen von Chalkin, nur wirkte alles an ihm verfeinert und nicht so vulgär. »Sie wissen ja gar nicht, wie froh ich war, als die Drachen hier auftauchten. Ich dachte mir gleich, Sie hätten ihm endlich das Handwerk gelegt und ihn abgesetzt. Sie haben ja keine Ahnung …«
»Wo haben Sie die ganze Zeit über gesteckt? Und wann verließen Sie Ihr Anwesen?«, erkundigte sich Paulin, nach Vergerins Hand greifend.
Vergerin lächelte bitter. »Ich rechnete mir aus, dass ich direkt unter Chalkins Nase am sichersten wäre.« Er deutete in die Richtung, in der die Pächterbehausungen lagen. »Hier leben die Tiere in besseren Unterkünften als die Menschen. Wenn ich stinke, dann wenigstens nach frischem Pferdemist. Ich verdiente mir mein Auskommen in den Viehställen.«
»Aber Ihr Anwesen sieht völlig verlassen aus.«
»Dafür habe ich selbst gesorgt«, erklärte Vergerin, sich mit schmutzigen Fingern das fettige Haar kämmend. »Ich wollte überleben, und als ich merkte, dass mein Neffe im Traum nicht daran dachte, die Burg auf den Fädenfall vorzubereiten, hoffte ich, die übrigen Burgherren würden ihn eines Tages davonjagen … Und da ich als sein Nachfolger zuerst infrage komme, hätte er auf den Gedanken verfallen können, mich für immer verschwinden zu lassen.«
In ernster, würdevoller Haltung stand er, mit Lumpen bedeckt, im Kreis der gut gekleideten Burgherren und Drachenreiter. Paulin war beeindruckt. Und er spürte, dass auch den anderen Vergerins sicheres, wenn auch bescheidenes Auftreten gefiel.
»Zugegeben, durch Leichtsinn habe ich mein Recht auf Erbfolge verspielt, und ich hätte wissen müssen, dass Chalkin mich bei einem solchen Einsatz betrügen würde. Es dauerte eine Weile, bis ich dahinter kam, wie er mich überlistete, denn ich kenne selbst ein paar Tricks, doch an Raffinesse ist Chalkin mir weit überlegen.« Verächtlich zog er die Mundwinkel nach unten. »Vor allem hätte ich bedenken müssen, wie sehr mein Neffe danach gierte, in Bitra die Macht zu übernehmen.«
»Aber Sie haben Ihr Versprechen gehalten und nicht gegen den Ausgang des Spiels protestiert«, wandte Paulin ein.
»Das war das Mindeste, was ich tun konnte, um meine Selbstachtung zu behalten«, entgegnete Vergerin. Mit einer angedeuteten Verbeugung fügte er hinzu: »Darf ich zu hoffen wagen, dass man mich hergeholt hat, damit ich Chalkin ersetze?« Fragend wölbte er eine Augenbraue, und sein Blick wirkte offen und duldsam.
Verstohlen musterte Paulin die Mienen der anderen Burgherren.
»Ihre Nachfolge wird selbstverständlich berücksichtigt werden, wenn das Konklave am Ende des Planetenumlaufs zusammentritt«, antwortete Paulin. Seine Bemerkung fand allgemeine Zustimmung.
Radau und lautes Protestgeschrei ertönten, als Bastom und Bridgely Chalkin die Haupttreppe hinunterbugsierten. Das Jammern seiner in Tränen aufgelösten Frau und das Gekreisch der verschreckten Kinder trugen zur Aufregung bei.
Auf dem letzten Treppenabsatz riss Chalkin sich von den beiden Lords los und stürzte sich schnurstracks auf Vergerin.
»Du Schuft! Gauner! Lump! Du hast mich verraten. Du hast dein Wort gebrochen. Das alles habe ich dir zu verdanken.«
Bastom und Bridgely fingen Chalkin wieder ein und hinderten ihn daran, Vergerin anzugreifen, der indessen nicht daran dachte, sich vor seinem aufgebrachten Neffen zu ducken.
»Das hast du mir angetan. Du bist der Urheber des Ganzen!«, brüllte Chalkin und übertönte mit seiner sich überschlagenden Stimme sogar das Zetern der Kinder. Langsam, mit ausdruckslosem Gesicht, wandte sich Vergerin von ihm ab.
Dann wurde Lady Nadona Vergerin gewahr, und ihr hasserfülltes Organ schraubte sich schrill in die Höhe.
»Erst nimmst du mir meinen Mann weg, und nun stehst du da und wartest nur darauf, von meiner Burg Besitz zu ergreifen, meine Kinder um ihr rechtmäßiges Erbe zu bringen … Oh, Franco, wie kannst du nur zulassen, dass man deine Schwester so schändlich behandelt?« Sie warf sich an Francos Brust.
Ohne mit der Wimper zu zucken befreite sich der Burgherr von Nerat aus der Umklammerung seiner hysterischen Schwester, wobei ihm Zulaya und Laura von Ista zu Hilfe kamen. Nadona trug noch ihr Nachtgewand
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