Die Drachenreiter von Pern 16 - Der Himmel ueber Pern
setzte der Harfner seinen Weg fort. Just in diesem Moment hörte er das Splittern von Glas und dumpfe Schläge, als würde mit einer Axt Holz gespalten. Aber Dorse und sein Spießgeselle liefen die Treppe hinauf. Wer schickte sich an, hier etwas entzwei zu schlagen?
Da Sintary den schweren Beutel mit den Petitionen mit sich schleppte, beschloss er, seine Last zuerst in sein Quartier zu bringen und danach die Ursache für den Lärm zu ergründen.
Heilerhalle - 1.1.31
Meisterheiler Oldive rückte von seinem Arbeitstisch ab, schloss die Augen, die vom angestrengten Spähen durch das Mikroskop brannten, und seufzte. Die Viren glichen einander so sehr, trotzdem ließ sich in den Pathologie-Dateien des Akki kein vergleichbarer Erreger entdecken. Die neuen Methoden, die man seit kurzem in der Heilerhalle anwandte, vermochten die Forschung - und die medizinische Behandlung von Kranken - wahrhaft zu revolutionieren. Erhebende und erschreckende Aussichten zugleich, fand er.
Langsam, sich dessen bewusst werdend, dass sein Körper vom langen Sitzen schmerzhaft verkrampft war, nahm er zuerst ein Bein von der Sprosse des Stuhls, streckte es aus und ließ es herunterbaumeln. Sich am Stuhl festhaltend, dehnte er das andere Bein. Dann hob er die Arme so hoch, wie es sein verkrüppelter Rücken erlaubte, und vollführte mit dem Kopf kreisende Bewegungen, um die Muskelverspannungen zu lösen.
»Oldive?«
»Ach du meine Güte, Sharra!« Er drehte den hohen Stuhl, sodass er seine Kollegin sehen konnte, die in einer Ecke hockte und gleichfalls in ein Mikroskop blickte. »Dich hatte ich schon ganz vergessen.«
In diesem Laboratorium ließ es sich herrlich arbeiten, und heute hatten er und Sharra es ganz für sich allein, da jeder vernünftige Mensch zum Feiern auf den Festplatz der Burg Fort gegangen war. Durch die große Thermopan-Scheibe konnte er die Banner sehen, die aus den Fenstern der Burg hingen, war jedoch gleichzeitig vor der arktischen Kälte geschützt, die den Norden des Kontinents noch immer fest im Griff hielt. Während er sich wünschte, an zwei Orten gleichzeitig zu sein - im Augenblick hätte er sich gern in der luftigen, sonnendurchfluteten Heilerhalle von Landing aufgehalten - genoss er die Behaglichkeit des neuen ›Hauptquartiers‹ seiner Zunft in Fort. Alles war vom Feinsten - angefangen von den geräumigen Lehrsälen bis hin zu den bequemen Privatunterkünften. Kein Wunder, dass immer mehr junge Leute sich für den Beruf des Heilers interessierten. Und es herrschte Bedarf an gut ausgebildeten Heilkundigen, in dieser Hinsicht machte er sich nichts vor.
»Du warst halt so in deine Arbeit vertieft«, kommentierte Sharra mit müdem Lächeln. »Konntest du das Virus identifizieren?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ob es sich um eine dieser Mutationen handelt, die in den Pathologie-Berichten erwähnt sind?«, mutmaßte sie. »Die Zeit hätte ausgereicht, um Mutationen der Viren hervorzubringen, deren Beschreibungen wir vom Akki kennen.«
»Das würde auch erklären, wieso Epidemien mitunter sämtliche Bewohner einer Festung befallen. Mit diesen Problemen haben wir bis jetzt gelebt, und zum Glück grassiert zurzeit nirgendwo eine geheimnisvolle Seuche. Wieso bist du eigentlich nicht bei Jaxom und deinen Kindern?«, wunderte er sich. »Schließlich ist heute der letzte Festtag zum Ende des Planetenumlaufs.«
»Sie feiern tüchtig in Ruatha«, entgegnete sie gelassen. »Jaxom musste den Bericht verlesen und die Petitionen entgegennehmen. Ich mache mich nützlicher, wenn ich hier forsche, anstatt daheim zu sitzen und mich zu langweilen.« Sie zeigte auf die Objektträger, mit denen sie arbeitete. Dann massierte sie sich den verspannten Nacken. »Ob wir wohl je diese Elektronenmikroskope besitzen werden, von denen in den Akki-Dateien die Rede war?«
Oldive gestattete sich ein vergnügtes Glucksen, während er vorsichtig von seinem Stuhl herunterrutschte. Ohne seinen Buckel wäre er ein groß gewachsener Mann gewesen, denn er hatte lange Beine. Aber die Verformung der Wirbelsäule stellte das Becken schräg, und trotz der Einlage in einem Schuh hinkte er.
»Meister Morilton ist zurzeit einer der gefragtesten Handwerker«, entgegnete er und deutete auf die Schränke mit den zahlreichen gläsernen Behältern, die die Glasmacherhalle eigens für die Bedürfnisse der Heiler hergestellt hatte.
»Nur gut«, beschied ihm Sharra, »dass der Rat - und das sogar ausnahmsweise einstimmig - beschlossen hat, die Heilerhallen als
Weitere Kostenlose Bücher