Die Drachenschwestern
fühle mich auch
so frei wie schon lange nicht mehr. Ich denke das kommt von dem Gefühl, dass
jetzt wieder alles möglich ist. Im Guten wie auch im Schlechten. Ich habe die
Wahl, zu entscheiden, was ich mit meinem Leben in nächster Zeit anfangen
möchte. Klingt ziemlich pompös, was?“ Verlegen lächelte sie ihn an.
Simon schüttelte den Kopf. „Nein, das denke ich nicht. Man sagt schließlich
nicht umsonst, Krisen seien Chancen. Und da ich deinen Worten entnehme, dass du
nicht gleich am Hungertuch nagst, wenn Ende Monat ausnahmsweise kein
Gehaltsscheck eintrifft, kann ich aufhören, mir Sorgen um dich zu machen“,
grinste er.
„Stimmt. Ich schwimme zwar nicht in Geld, aber ein, zwei Monate komme
ich schon über die Runde“, pflichtete sie ihm zufrieden bei. „Aber jetzt mach‘s
nicht so spannend und erzähle schon, was du herausgefunden hast.“
„Tja, also konkrete Beweise für das, was ich dir jetzt erzähle, habe
ich bis jetzt noch keine. Ich glaube aber, dass das Ganze auf folgendes
herausläuft: Die ganze Geschichte fängt, wie Du schon erraten hast, mit der
Fusion der beiden Firmen an. Als Aussenstehender bekam man das Bild vermittelt,
dass es ein freundschaftlicher Zusammenschluss zweier sich ergänzender Firmen
war. Quasi als logische Folge vorangegangener erfolgreicher Zusammenarbeit bei
verschiedenen Projekten.“
„Das stimmt doch
gar…“
„Warte, lass mich erst ausreden. Ich sagte bewusst, es sei ein Bild, welches
der Öffentlichkeit so präsentiert wurde.“
„Genau, wir hatten vorher nämlich praktisch nichts mit denen zu tun!“,
konnte sich Kaja nicht verkneifen einzuwerfen.
„Die Ausgangslage war offensichtlich so: PC-Lux-Solutions hatte
talentierte und vor allem auch hochmotivierte Mitarbeiter. Die Erträge der
Firma reichten wohl, um die Firma am Laufen zu halten, nicht jedoch dazu, sie
aus eigener Kraft zu vergrössern. Also wurde nach Geldgebern und möglichen
Partnern gesucht. Qubus war zwar eine finanzstarke Firma, hatte aber ständig
Probleme, Aufträge termingerecht abzuwickeln. Obwohl sie finanziell gut da
standen, geizten sie bei den Löhnen und den Mitarbeitervergünstigungen.“
„Und so ist es natürlich schwierig, gute Leute zu bekommen. Insbesondere
in unserer Branche mit Google als leuchtendem Beispiel“, murmelte Kaja, die
langsam erkannte, auf was Simon hinaus wollte.
„Genau. Das erklärt die schlechte Arbeitsmoral oder die
Skrupellosigkeit einiger ihrer Mitarbeiter.“
„Wie bei
Klein-Freddy.“
„Wie bei Klein-Freddy. Nun, man könnte meinen, Qubus hätte die Chance
nutzen wollen, in den eigenen Reihen aufzuräumen, doch leider unterscheidet
sich die Chefetage von Qubus in Sachen Moral nicht wesentlich von ihren
Angestellten. Wie sagt man so schön, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, das
gilt wohl auch hier. Nachdem Qubus PC-Lux-Solutions nicht einfach aufkaufen
konnte…“
„Weshalb denn
nicht?“
„Na, PC-Lux-Solutions hatte keine Schulden und konnte somit nicht zum
Verkauf gezwungen werden. Sie hatten nur nicht genug Geld, um aus eigener Kraft
zu expandieren. Verkaufen wollten sie auf keinen Fall. Auf jeden Fall vermute
ich, und jetzt kommen wir wirklich in den Bereich der reinen Spekulationen,
haben die beiden einen vorläufigen Vertrag abgeschlossen, in welchem in
irgendeiner Form festgelegt ist, wie sich die Zusammenarbeit in Zukunft
gestaltet bzw. unter welchen Umständen wer mehr zu sagen hat.“
„Sorry, aber das war mir jetzt zu hoch. Ich bin schon ganz konfus“,
meldete sich Kaja zu Wort.
„Okay, lass mich ein Beispiel nennen: Wir könnten vertraglich
festlegen, dass beide Seiten sich verpflichten, Deadlines einzuhalten.“
„Was ja an sich
selbstverständlich sein sollte“, murmelte Kaja.
„Ja, aber um das geht es hier nicht. Hör zu: Wenn übers ganze Jahr verteilt
mehr Mitarbeiter von Qubus oder umgekehrt von PC-Lux-Solutions Projekte in den
Sand setzen, kriegt der andere Vertragspartner ein prozentual höheres
Mitspracherecht.“
„Bis jetzt macht die Sache ja völlig Sinn, ich sehe das Problem
nicht…“ Simon wartete, bis Kaja zu Ende gedacht hatte. „Ah, jetzt sehe ich, was
du meinst mit der schlechten Arbeitsmoral: Wenn ich dafür sorgen kann, dass es
so aussieht, als würden ehemalige PC-Lux-Solutions Mitarbeiter schlechte Arbeit
abliefern, ist Qubus am Ende des Jahres praktisch doch der alleinige Besitzer.
Und das noch dazu, ohne etwas dafür zu bezahlen.“ Ungläubig schüttelte sie den
Kopf.
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