Die Drachenschwestern
hochgesteckt.
„Wow. Du hast dich
wieder einmal selbst übertroffen!“, lobte Kaja ihren Auftritt pflichtbewusst.
„Danke. Aber heute
kann ich das Kompliment zurückgeben.“
„Nur heute?“, fragte Kaja
gespielt schmollend.
„Na ja, dein üblicher Aufzug aus Jeans, Turnschuhen und T-Shirt sind
normalerweise keine große Konkurrenz“, urteilte Thea freimütig.
„Weiß ich ja, ich nehme dich bloß ein wenig hoch“, antwortete Kaja und
hakte sich bei ihr unter.
„Aber was sehe ich da, du hast ja noch gar nichts zu trinken“,
beobachtete Thea. „Das geht ja gar nicht!“ Mit einer fließenden Bewegung nahm
sie einem zufällig vorbeikommenden Kellner ein Glas Champagner vom Tablett und
drückte es Kaja in die Hand. „Diesen Anlass überlebst du nur angetrunken“,
erklärte sie bestimmt.
„Ich befürchte, du hast recht“,
stimmte Kaja ihr zu.
„Natürlich hab ich recht, ich habe immer recht“, grinste Thea. Sie hob
ihr Glas zum Toast. „Auf einen unvergesslichen Abend!“
Kaja prostete ihr zu und murmelte: „Können wir unvergesslich umwandeln
in unauffällig?“
„Nichts da“, protestierte Thea. „Los, lass uns einen Platz finden, du
musst ja schließlich noch einen Preis abholen.“
Ein wenig unmotiviert folgte Kaja Thea in den großen Saal, in dem erst
die Preise verliehen und nachher der Ball eröffnet werden würde. Ball ist auch
ein zu großes Wort, für das Rumgehopse, welches nachher hier stattfinden würde,
dachte Kaja missbilligend bei sich. Obwohl sie bei Mémé aufgewachsen war, war
sie doch genug Diplomatentochter, um den Unterschied zwischen einer Party und
einem Ball zu kennen. Aber das war typisch für die Entwicklung, welche im
letzten Jahr in ihrem früher mal so heißgeliebten Unternehmen stattgefunden
hatte. Nicht kleckern sondern klotzen. Zumindest nach aussen.
„Du trinkst nicht genug, hör endlich auf, vor dich hinzubrüten und
versuche wenigstens so auszusehen, als hättest du Spaß“, wies Thea sie zurecht
und blickte missbilligend auf das noch fast volle Glas.
„Du hast Recht.“
„Das hatten wir schon“, meinte Thea ironisch. „Jetzt musst du nur noch
so tun, als würdest du mir tatsächlich glauben.“
„Okay, okay, ich geb mich geschlagen!“ Kaja stürzte heldenhaft ihren
Champagner hinunter und tauschte ihr leeres Glas sofort durch ein volles aus.
„Lässt du mich auch etwas davon haben?“, tönte Lance‘ Stimme in ihrem
Kopf. Da Kaja erstens abgelenkt war durch all die Leute um sie herum und
zweitens das hastig geleerte Glas Champagner begann, seine Wirkung zu
entfalten, zischte sie zwar leise, aber doch hörbar: „Kannst du dich nicht
selber um deine Getränke kümmern?“
„Sag mal, was ist eigentlich
mit dir los, Kaja?“
Perplex wandte sich Kaja
wieder zu Thea um, die sie einigermaßen besorgt musterte.
„Was?“
„Na ja, du führst in letzter Zeit ständig Selbstgespräche – stehst du dermaßen
unter Stress?“
„Selbstgespräche? Stress?“
Etwas hilflos versuchte Kaja, ihrer Freundin geistig zu folgen, bis
ihr aufging, dass sie wohl schon wieder laut mit Lance gesprochen hatte. Ein
schneller Blick zu ihrem Drachen bestätigte ihre Befürchtung. Sie nahm sich
zusammen und fauchte ihm gedanklich zu: „Halt dich einmal zurück, verflixt
nochmal!“
„Ich? Du bist doch diejenige, die alles in die große weite Welt heraus
plärrt!“, kam es grummelnd zurück. Kaja ignorierte ihn und meinte mit einem
Lächeln an Thea gewandt: „Ist vermutlich nur die Aufregung vor der Preisverleihung.
Hast du auch ein Glas Wasser für mich?“
Thea, die immer noch eine skeptische Miene zur Schau trug, beschloss,
das Thema für den Moment auf sich beruhen zu lassen und machte sich auf die
Suche nach einem Glas Wasser. „Schau, ich glaube, sie fangen endlich an“,
meinte Kaja, als Thea zurückkam.
Bis alle ruhig waren, dauerte es allerdings noch gut zehn Minuten. Kaja
lehnte sich zusammen mit Thea am Rande des Saals an die Wand. Für sie hatte der
Preis an Glanz verloren in Anbetracht der Vorgänge in der Firma, auch wenn sie
nach wie vor stolz war auf ihre Arbeit, für die sie heute Abend ausgezeichnet
werden würde. Zum Glück hatte es sich Lance zur Aufgabe gemacht Kaja
abzulenken. So bekam sie nur am Rande mit, wie ein Name nach dem anderen
aufgerufen wurde und die Leute je nach Naturell verlegen oder selbstbewusst
nach vorne gingen. Sie war ganz froh darüber. Ihrem Drachen gegenüber hätte sie
das natürlich nie zugegeben.
Sonst
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