Die drei !!!, 14, Spuk am See
seinen Namen auf dem Sarkophag las. Wie ungerecht, dass der alte Graf so ein schönes Grab hatte, während Antonia in der hintersten Ecke des Friedhofs verscharrt worden war wie eine gemeine Verbrecherin.
Vor dem Sarkophag lagen mehrere völlig vermoderte Kränze, die einen sehr unangenehmen Geruch verbreiteten. Aber da war noch etwas. Kim runzelte die Stirn, als sie einen frischen Kranz aus weißen Lilien auf den anderen entdeckte. Die Lilien leuchteten hell in der Dunkelheit und verströmten ihren typischen, schweren Duft, der Kim immer an Beerdigungen erinnerte. Kein Zweifel – dieser Kranz war erst vor Kurzem hier abgelegt worden. Aber warum? Und von wem? Der alte Graf hatte doch angeblich keine Nachkommen gehabt. Merkwürdig …
Plötzlich kehrte Kims Angst mit voller Wucht zurück. Sie war allein unter lauter Toten! Und wenn nicht bald Hilfe kam, würden ihre Knochen hier genauso vermodern wie die der gräflichen Familie. Was sollte sie tun? Schreien? Aber das würde sowieso niemand hören, nachts auf dem dunklen Friedhof. Außer Hugo Schaffer vielleicht. Und dem wollte sie auf keinen Fall in die Hände geraten. Es war hoffnungslos. Wahrscheinlich würde sie hier drinnen verrotten. Wäre sie doch nur mit Michi mitgegangen! Dann würden sie jetzt irgendwo in einem netten Restaurant sitzen, etwas Leckeres essen, reden und gemeinsamlachen. Warum nur hatte sie ihn weggeschickt? Jetzt würde sie ihn vielleicht niemals wiedersehen …
Kims Hände zitterten so heftig, dass sie das Grablicht abstellen musste. Ihr war kalt, sie war hungrig, und sie hatte Angst. Sie sank auf dem Boden zusammen, schlang die Arme um die Knie und ließ ihren Tränen freien Lauf.
»Sie ist nicht da.« Franzi stand vor Antonias Grab und sah sich suchend um. Doch von Kim war weit und breit nichts zu sehen.
»Aber es war jemand hier! Sieh mal!« Marie zeigte auf den Boden vor dem Grab. Im Licht des Mondes waren Fußspuren zu sehen.
»Wo kann sie denn nur sein?« Franzi rang verzweifelt die Hände. Allmählich bekam sie Panik. Es war nicht Kims Art, einfach zu verschwinden. Es musste etwas passiert sein. Was, wollte sich Franzi lieber nicht ausmalen.
Marie schluckte. »Vielleicht hat Hugo Schaffer sie erwischt und ihr irgendetwas angetan …«
»Meinst du?« Franzi starrte Marie entsetzt an.
Bis jetzt hatten Franzi und Marie versucht, möglichst leise zu sein, falls sich Hugo Schaffer noch irgendwo in der Nähe herumtrieb. Jetzt ließen sie alle Vorsicht fallen und begannen, laut nach Kim zu rufen.
»Kim! Kim! Wo bist du? Bitte melde dich!« Franzis Stimme überschlug sich fast. Sie mussten Kim finden! Ihr durfte einfach nichts passiert sein!
Plötzlich tauchte eine dunkle Gestalt zwischen den Grabsteinen auf. Franzi hielt den Atem an. Kim? Nein, die Gestalt war größer. Es war ein Mann. Er hatte eine Taschenlampe in der Hand, die er jetzt anknipste, um den Mädchen ins Gesicht zu leuchten.
»Hugo Schaffer!«, hauchte Marie und kniff geblendet die Augen zusammen. Sie stellte sich dicht neben Franzi.
Franzi spürte, dass Marie Angst hatte. Sie selbst hatte auch Angst. Aber ihre Wut war stärker. Sie loderte in Franzi auf wie eine mächtige Flamme und gab ihr Kraft.
»Wo ist Kim?«, fuhr sie Hugo Schaffer an.
Er machte ein überraschtes Gesicht. »Wie bitte?«
»Unsere Freundin ist Ihnen zum Friedhof gefolgt. Und jetzt ist sie verschwunden.« Franzi stemmte die Hände in die Hüften. »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
»Ist eure Freundin so eine kleine Dunkelhaarige?«, fragte der Mann. »Und trägt sie Jeans und einen blauen Kapuzenpullover?«
Marie nickte. »Das ist sie!«
»Tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung, wo sie steckt. Sie ist mir tatsächlich auf den Friedhof gefolgt. Dann habe ich sie entdeckt, und sie ist Hals über Kopf abgehauen. Sie schien große Angst vor mir zu haben. Ich bin ihr nachgerannt, aber dort hinten bei der alten Gruft hab ich sie verloren …«
»Das ist nicht wahr!«, rief Franzi wütend. »Sie sind ein ganz gemeiner Lügner! Wo ist Kim? Was haben Sie mit ihr gemacht? Wenn Sie ihr irgendetwas angetan haben, mache ich Hackfleisch aus Ihnen …«
Franzi wollte sich auf den Mann stürzen, aber Marie hielt sie fest. »Das bringt doch nichts!«, zischte sie. »Vielleicht sagt er ja die Wahrheit.«
»Nein!« Franzi hatte sich wieder unter Kontrolle. Aber sie ließ Hugo Schaffer keine Sekunde aus den Augen. »Er hat Kim bestimmt nicht entwischen lassen. Sie hätte schließlich verraten können,
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